Schauspielerische Tour de Force: Willem Dafoe

»Der Leuchtturm«

Willem Dafoe und Robert Pattinson liefern sich ein Duell auf einer einsamen Insel

Noch ist es nicht zu erkennen. Aus der Ferne bahnt sich ein Schiff seinen Weg durch den Nebel, stampfend kommt es immer näher, während ein dröhnendes Nebelhorn, kreischende Möwen und krachende Wellen eine bedrohliche Soundkulisse bilden. Gedreht wurde auf Zelluloid mit alten Kameralinsen, die Bilder sind schwarzweiß, das Format ist fast quadratisch (1,19:1) — was das Gefühl klaustrophobischer Enge noch erhöht.

Wir befinden uns an der Küste Neuenglands um 1890. Efraim Winslow (Robert Pattinson) setzt mit dem Schiff auf eine einsame Insel über, um als Assistent von Thomas Wake (Willem Dafoe) den Leuchtturm zu warten. Winslow darf nur Hilfsarbeiten ausführen. Das Licht oben in der Laterne — darum kümmert sich allein Thomas Wake. Sein früherer Gehilfe soll verrückt geworden sein. Zwei Männer allein auf kleinem Raum. Es dauert dennoch, bis sie das erste Mal miteinander reden. Die Tatsache, dass sie lange Zeit den Namen des anderen nicht wissen, zeugt von ihrer Entfremdung. Und dann verhindert ein tagelanger Sturm, dass ein Schiff anlegen kann, um Lebensmittel zu bringen und Winslow abzulösen.

In der Folge kommt es mit zunehmendem Alkoholkonsum zum Duell zweier höchst unterschiedlicher Männer — verschlossen der eine, herrisch der andere. Sie bekriegen sich zunächst in ausgefeilten Dialogen, die auf Texten von Herman Melville, Robert Louis Stevenson und den Tagebüchern von Leuchtturmwärtern beruhen. Robert Pattinson (mit unvorteilhaftem Schnäuzer) und Willem Dafoe (mit großem Bart und schwerem irischen Akzent) zeigen eine schauspielerische Tour de Force. Immer wieder geht die Kamera ganz nah an ihre verwitterten, ausgemergelten Gesichter heran, sie spucken die Worte heraus, sie furzen, rülpsen, schikanieren, schlagen und betrinken sich.

Mitunter kann das sogar komisch sein, etwa wenn Wake seine Kochkünste nicht genügend gewürdigt findet. Das Licht im Turm wird Winslow zur Obsession, er wird von Angstträumen mit Meerjungfrauen und Wassermännern geplagt, und dann verliert er — in einer erschreckenden Szene — im Kampf gegen eine hartnäckig freche Möwe völlig die Fassung.

Autor und Regisseur Robert Eggers, 2015 mit »The Witch« hervorgetreten, hat ein verstörendes, beklemmendes Drama geschaffen, in dem tiefe Kontrabassstreicher die bedrohlichen Bilder perfekt unterstützen. Einmal steht Willem Dafoe nackt vor der riesigen Laterne, um dem Licht zu huldigen — ein Bild, dass man so schnell nicht vergisst.

(The Lighthouse) USA 2019, R: Robert Eggers, D: Willem Dafoe, Robert Pattinson, Valeriia Karaman, 109 Min.