Drollig perverse Liebe zum Pokerface-Exzess: Marc Fraize als Philippe

»Die Wache«

Quentin Dupieux hat den surrealsten Polizeifilm der letzten Jahre gedreht

Louis Fugain hat einen wirklich bescheuerten Fehler gemacht und muss dafür jetzt büßen. Er war nämlich so blöd, die Polizei anzurufen, nachdem er vor seinem Haus eine Leiche gefunden hatte. Und jetzt sitzt er da in einer brutalistischen Polizeidienststelle und wird von Inspektor Buron verhört. Buron ist leider doof, hält sich aber für den Größten. Das zeigt sich unter anderem daran, dass er sich dauernd selber verwirrt mit besonders raffitückischen Fragen, die eigentlich Fugain aus dem Konzept bringen sollen.

Irgendwann taucht ein Subalterner vornamens Philippe auf, der aggressiv mit seinem Auge herumstarrt — er hat tatsächlich nur eins. Philippe entpuppt sich als noch inkompetenter als Buron, wird aber beauftragt, auf Fugain aufzupassen — was in einem der filmhistorisch deppertsten tödlichen Unfälle endet. Dem armen Fugain beschert das noch mehr Probleme, weil er jetzt Philippes Leiche irgendwie loswerden muss. Schließlich würde ihm niemand glauben, wie es zu diesem tragischen Unfall kam. Hätte Fugain Quentin Dupieuxs »Wrong Cops« (2013) gesehen, hätte er allerdings wissen können, dass nicht jede Leiche auch tot ist.

Vielleicht erinnert sich der ein oder andere an Claude Millers Kriminalkammerspiel »Das Verhör« (1981) mit Lino Ventura, das im Wesentlichen aus einem langen Verhör besteht — ein Raum, drei Hauptdarsteller, mit nur wenigen Szenen, welche diese klaustrophobisch-theatralische Struktur auflösen. Quentin Dupieux könnte sich diesen Klassiker zum Vorbild genommen haben für »Die Wache« (2018), seine mal surreale, mal absurde, dann wieder groteske Version dieser besonders reduzierten Spielart eines Polizeifilms.

All das, was man an »Der Alte« oder »Derrick« — um hiesige Beispiele zu nennen — leicht bizarr finden mag, wird hier mit größtem Enthusiasmus und einer drollig perversen Liebe zum Pokerface-Exzess ausgestellt. Selten starrten Typen in Harte-Bullen-Verkleidung (scheiße sitzender Rollkragenpulli à la Steve McQueen, Schulterholster) so lange eindringlich leer auf Typen mit Porno-Rotzbremse und Blümchenmuster-Hemd.

Der ganze Wahnsinn — etwa ein Typ, der durch ein Loch in der Brust raucht — ist letztlich nur dazu da, dass man das seifig-siffige Pathos von »Harry, hol schon mal den Wagen«-Routinen in seiner ganzen süffisanten Betriebsblindheits-Stupidität angemessen goutieren kann. Ja, manchmal ist das Leben leerer als eine Asservatenkammer in einem frisch bezogenen Polizeirevier. Und Dupieux weiß den diskreten Charme dieser Leere zu erzählen. Chapeau.

(Au poste!) F 2018, R: Quentin Dupieux, D: Benoît Poelvoorde, Grégoire Ludig, Anaïs Demoustier, 73 Min.