Zwischen Klopapier-Schlachten und Räsonnements: Aatos und Amine

»Die Götter« von Molenbeek

Die Doku zeigt das Leben im Brüsseler Problemviertel aus Kinderperspektive

 

Aatos kommt eigentlich aus Finnland, lebt aber mit den Eltern im Brüsseler Stadtteil Molenbeek mit einem hohen Anteil muslimischer Bürger. Auch Aatos’ Nachbar und bester Freund Amine betet mit seiner Familie zu Allah. Das macht Aatos ein wenig neidisch. Die Jungen sind sechs Jahre alt und spielen gemeinsam zu Hause, im Hof oder auf wilden Streifzügen im Straßenland. Mit der etwas älteren Flo macht Aatos Ausflüge in einen großen Park, wo sie am Ufer eines Teichs Steine ins Wasser wälzen oder Brennesseln essen. Ständige Begleiter sind dabei Gespräche, in denen es um die Welt an sich, den Tod oder die Unendlichkeit geht.

Und um die Götter, von denen Aatos in diesem Film der finnischen Dokumentaristin Reetta Huhtanen eine ganze Reihe beschäftigen — von Allah bis Thor, der ihm wegen des Donnerhammers besonders attraktiv erscheint. Oder er verkörpert sie sogar: Als Götter- und Todesbote Hermes heftet er sich zur weißen Griechentunika selbstgebastelte Flügelschwingen an die Sandalen. Freundin Flo behauptet allerdings, die Menschen würden verrückt, wenn sie an Gott glauben.

Und dann kommen die islamistischen Anschläge vom März 2016, die die philosophischen und theologischen Fragen mit neuer Wucht an die Kinder herantragen. Die Mütter von Aatos und Amine gehören zu denen, die am Ort des Attentats Blumen niederlegen und in Molenbeek gegen Terror und für Solidarität demonstrieren. Die Spiele ihrer Kinder sehen nach diesen Erfahrungen weniger unbeschwert aus. Doch der gewichtigere Einschnitt für sie kommt, als Aatos mit seinen Eltern wieder nach Finnland ziehen muss.

Ein starker Film mit einer hinreißenden Kamera (Hannu-Pekka Vitikainen) auf Augenhöhe der Kinder. Und weil Erwachsene und Schule nur selten und am Rande auftauchen, scheint der Alltag der Kinder zwischen Klopapier-Schlachten und Räsonnements beneidenswert frei zu sein. Doch im entscheidenden Moment sind die Mütter da, um Trost zu spenden.

(Aatos ja Amine) F/D 2019, R: Reetta Huhtanen, 73 Min.