Kabarettist und Filmemacher Heinrich Pachl in Aktion

Erschöpft von Fake News

Die Kurzfilmreihe »Kein Blatt vor dem Mund« widmet sich dem Thema Meinungsfreiheit

Das wird man ja wohl noch sagen dürfen. Ja, aber was denn nun? In Zeiten, in denen Meinungsfreiheit als gefährdet angesehen wird, Demokratiefeinde und Fantasten an eigenen Narrativen und Geschichtsbildern feilen und sich die »Realität« als Plattform kollektiver Wahrnehmung aufzulösen scheint, liegt es mehr denn je an den Künstlern, den Diskursraum zu öffnen. Unter dem Motto »Kein Blatt vor dem Mund — Meinung im Film und Film als Debatte« widmen sich vier Kurzfilmprogramme im Rahmen der diesjährigen »Filmreihe Köln« der hochaktuellen Frage, was gesagt werden kann, darf und muss.

Die Grenzen zwischen privatem und politischem Raum sind dabei längst verwischt. So nähert sich Charlie Lyne in seinem persönlichen Filmessay »Personal Truth« der ambivalenten Neugier, die er bei der Rezeption von Fake News und Verschwörungstheorien empfindet. Paranoia, Zweifel und hartnäckiges Misstrauen verdichten sich zur lakonischen Schilderung psychischer Erschöpfung.

Hito Steyerl widmet sich in »November« ihrer Jugendfreundin Andrea Wolf. Mit der drehte der heutige Kunstwelt-Star in jungen Jahren pulpige Low-Fi-Kurzfilme voller Lebenswut und Lust an der Pose, bevor Wolf den großen Gesten vor der Kamera politische Taten folgen ließ. Auf privates und filmhistorisches Bildmaterial zurückgreifend, meditiert Steyerl über die wechselseitige Faszination zwischen Performance und Aktivismus und der Frage, wer wen mehr inspiriert hat.

Neben zahlreichen aktuellen Arbeiten finden auch einige Klassiker ihren Weg ins Programm: Harun Farocki übte schon 1973 in »Der Ärger mit den Bildern« Medienkritik an der in Stücke gehackten Realität gängiger TV-Features. Sein filmisches Essay trifft heute ebenso ins Schwarze wie Richard Serras und Carlota Fay Schoolmans »Television Delivers People«, der den Zuschauern im gleichen Jahr reinen Wein über Sinn und Zweck des Massenabfertigungsmediums Fernsehen einschenkte. Die Gegenwart, die Farocki beklagt, und die Zukunft, die Serra und Schoolman als Dystopie fürchten, wirken heute wie die gute alte Zeit. An der Plan- und Sprachlosigkeit des Beamtendeutschs am Beispiel des Kölner Städtebaus hat sich derweil nichts geändert, wie Heinrich Pachls Doku-Kleinod »Die halbe Wahrheit« aus dem Jahr 1976 zeigt.

So viele Gründe es auch zum Verzweifeln gäbe: Eine junge Regisseurin wie wie Ayo Akingbade findet stilsicher interessante Blickwinkel, um Sackgassen, Widersprüche und Chancen im Leben Marginalisierter darzustellen. In »Tower XYZ« braucht sie nur drei Minuten, um ein ebenso lyrisches wie schroffes Stück filmischer Poesie über das Leben im sozialen Abseits Londons zu liefern, und sagt doch mehr als viele in drei Stunden.
Infos: filmreihe-koeln.de