Wilde Tiere in Rage: Subbotnik in der Studiobühne

Auch Superhelden dürfen sterben

Subbotnik erzählt das Leben — von hinten

 

Frische Schnittblumen verbreiten ihren Duft. Bis in die hinterste Sitzreihe der Studiobühne ist er zu erahnen — ein Geruch, der an Sommertage und romantische Liebesbekundungen erinnert, aber auch an Bestattungshäuser und Trauerhallen. Der unvermeidbare Tod des Menschen, das von Epikur als das »schauerlichste Übel« proklamierte Ende, steht heute auf dem Programm des Theaterkollektivs Subbotnik. Doch statt philosophischen Ergüssen über den Sinn des Lebens, letzte Worte der Reue oder Todessimulationen auf der Bühne, wird das Publikum Teil eines »poetisch-theatralen Rituals«: Man würdigt den Tod nicht nur, er verliert sogar seine Bedrohlichkeit.

Als Auftakt einer Reihe bildet das Stück »Denn jeder sucht ein All zu sein« den Ausgangspunkt über die unterschiedlichen Lebensphasen des Menschen. Von hinten beginnend zeigt das deutsch-russisch-ukrainische Theatertrio, bekannt für seine Inszenierungen, irgendwo zwischen Realität und Utopie, eine Annäherung an das Unweigerliche des Lebens. In einer fein abgestimmten Assemblage stehen Schauspiel, Musik, Performance, Tanz und Klangkunst sich eigenständig gegenüber.

Dabei tanzen sich die Darsteller auf der Bühne zu wilden, rhythmischen Elektrosounds in Ekstase, bis auch die letzten Blütenblätter den Bühnenboden bedenken. Von japanischen Badehäusern auf schwedischen Inseln ist die Rede — so bildlich, bis die eigene Haut zu kribbeln beginnt, wenn man an die heißen Bäder im Schnee denkt. Und so einnehmend, dass irgendwann sogar Metaphern von Gammastrahlen, die auf Socken durch Korridore wandern, stimmig sind.

Die Schauspielerin Nadja Duesterberg singt vom Superhelden, dem das Sterben erlaubt sein sollte und Tänzerin Anca Huma ergänzt die Performance mit ihrem »seltsam schönen« Tanz, der in diesem Ritual nicht zu Strawinskys »Danse sacrale« wird. Mit Elementen des modernen Tanzes, bei denen sich kontrollierte Abruptheit und unaufdringliche Leichtigkeit aus­balancieren, opfert sie sich nicht den Blicken, sondern lässt sie zu. Bei all dem wird das Publikum ernst genommen.

Mit einfachsten Mitteln werden Bilder inszeniert, die zum Träumen verleiten: Zwei Bodenabzieher und ein Eimer Wasser lassen durch Lichtreflexion eine künstliche Seenlandschaft entstehen und Klänge, die mal laut und experimen­tell, mal leise und sanft erklingen, werden zum Soundtrack eines Kopfkinos, das auch auf dem Heimweg noch präsent ist — nur ganz ohne die doch so menschliche Angst vor der eigenen Vergäng­lichkeit.