Klimanotstand, was ist das? Die Kölner Politik will einstimmig weiterböllern

Mit Ach und Krach

An Silvester explodieren nicht nur Böller und Raketen, sondern auch die Feinstaubwerte. Das neue Jahr riecht nach Sprengstoff

Wer Neujahr durch die Stadt geht, umkurvt Sektflaschen mit ausgebrannten Raketen und von Böllern zerfetzte Briefkästen, während der Duft von Schwarzpulver in die Nase steigt. Am 1. Januar verzeichnet Köln traditionell Feinstaub-Rekordwerte. Laut Umweltbundesamt werden deutschlandweit in der Silvesternacht mindestens 4.500 Tonnen Feinstaub freigesetzt — das entspricht 16 Prozent der Menge, die im gesamten Jahr im Straßenverkehr entsteht.

Die Untätigkeit der Politik, für saubere Luft zu sorgen, ruft gewohnheitsmäßig die Deutsche Umwelthilfe (DUH) auf den Plan. In den vergangenen Monaten schrieb sie 98 deutsche Städte an, deren Luft stark mit Feinstaub belastet ist. Die DUH empfielt ihnen »Silvester 2.0«: ohne Böller und Raketen, mit Licht- und Lasershows. Auch die Kölner Stadtverwaltung bekam Post von der DUH. Zwar handelte es sich nur um einen »formalen Antrag«. Seit die DUH jedoch etliche deutsche Kommunen wegen überschrittener Stickoxid-Grenzwerte vor Gericht zerrte und zu Fahrverboten verdonnerte, lächelt man den Furor der DUH nicht mehr weg. Zudem verliehen die Umweltschützer ihren Forderungen in der Zivilgesellschaft Nachdruck: Die DUH unterstützt Privatpersonen bei Petitionen gegen die Silvesterböllerei in ihren Städten. In Köln haben mehrere Tausend Menschen unterzeichnet.

Anders als bei den EU-Grenzwerten für Stickoxide, wo Bund und Kommunen geltendes Recht brechen, bewegen sich die Kölner Feinstaubwerte im gesetzlichen Rahmen. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aber sind die EU-Grenzwerte zu lasch. Sie warnt auch bei geringeren Dosen vor erheblichen Gesundheitsgefahren. Laut einer Studie der Europäischen Umweltagentur von Anfang Oktober sterben in Deutschland jährlich 59.600 Menschen durch Feinstaub.

Zwar werden die Deutschen wohl auch in diesem Jahr mehr als 130 Mio. Euro für Silvesterknaller ausgeben, aber der Unmut über Lärm und Müll, Brand- und Verletzungsgefahren für Mensch und Tier wächst. Wenn Bürger fordern, Feuerwerke aus den Städten zu verbannen, schieben viele Kommunen das Bundesrecht vor: Die Sprengstoffverordnung sieht nur begründete Ausnahmen vor. Wenn Städte Verbotszonen aussprechen wollen, müssen sie mit Brand- oder Denkmalschutz argumentieren. Das haben in den vergangenen Jahren vor allem Kleinstädte mit historischem Stadtkern getan. Aber auch einige Großstädte wie Hannover oder Dortmund haben das Böllern in einzelnen Straßen verboten. München hat Anfang Dezember ein Verbot für seine Fußgängerzone erwirkt, um »kriegsähnliche Zustände« zu verhindern. In Köln gilt auch in diesem Jahr ein Feuerwerksverbot in der Nähe vom Dom.

Als Ende vergangenen Jahres ein Petent im Beschwerdeausschuss forderte, die private Silvesterböllerei in der gesamten Stadt zu verbieten, lehnte die Politik einstimmig ab. Trotz Klimanotstand wird Köln wohl auch in diesem Jahr keine weitergehenden Verbote erlassen. Wer 2020 mit dem Vorsatz begeht, endlich gesünder leben zu wollen, sollte Fenster und Türen am Ersten im Ersten geschlossen halten.