Kein Freibrief für Konzerne

OB Reker will saubere Dienstwagen, die SPD will Ford — passt das?

 

Henriette Reker kann nicht an alles denken. Etwa daran, dass es ein irritierendes Signal an die Teilnehmer einer Klimastreik-Demo ist, im Dienstwagen vorzufahren, um sich dann einzureihen. Wollte die OB womöglich etwas wiedergutmachen, als sie jetzt verkündete, die Stadtspitze teste neue, umweltfreundlichere Dienstwagen?

Natürlich soll die oberste Repräsentantin der Stadt nicht in überfüllten Straßenbahnen oder mit dem Rad zum Empfang einer Wirtschaftsdelegation anreisen. Gut also, wenn Dienstwagen sauber sind. Da hilft nur moderne Antriebstechnik. Im Juli rief der Stadtrat den Klimanotstand aus, und bereits 2016 beschloss der Rat, dass der städtische Fuhrpark im Ersatzfall nur mit sauberen Modellen komplettiert werden soll. Die Stadt hat rund tausend Fahrzeuge, 800 stammen aus dem Kölner Ford-Werk. Weil aber Ford keine umweltfreundlicheren Modelle anbieten kann, werden nun drei Modelle eines Konkurrenten getestet. Dass Reker nicht wartet, bis auch Ford irgendwann sein vollelektrisches Modell präsentiert, versetzt die SPD in Rage — wie alles, was Reker unternimmt, weil die SPD sich derzeit offenkundig nur über die Ablehnung von Reker definieren kann.

SPD-Fraktionschef Christian Joisten fordert ein klares Bekenntnis der Kölner Politik zu Ford. Wie in der Petition des Ford-Betriebsrats wird in der SPD-Kampagne unterstellt, Reker lasse die komplette Fahrzeugflotte austauschen und durch Modelle einer »süddeutschen Nobelmarke« austauschen. Das Kölner Ford-Werk ist in der Krise, die Konzernspitze hat im April bis zu 3000 Entlassungen angekündigt. Durch die verfälschte Darstellung wird die Verunsicherung der Beschäftigten im Niehler Ford-Werk verstärkt.

Die Stadtspitze sollte alles versuchen, die Arbeitsplätze in Niehl zu sichern. Aber die Krise bei Ford hat mit schlechtem Management zu tun — es ist absurd, wenn die Stadtspitze im Klimanotstand dem Autokonzern einen Blankoscheck ausstellen soll. Die SPD nennt Ford einen »lokalen Hersteller«, als handle es sich um einen Bio-Hofladen und nicht um den Standort eines internationalen Konzerns, dessen Führung gerade im großen Stil Mitarbeiter wegrationalisiert. Wie eine überforderte sozialdemokratische Partei in ihrer Not die Kapitalisten aus der Pflicht entlässt und die Interessen von Konzernspitze und Belegschaft in eins setzt, ist bemerkenswert.

Bernd Wilberg ist Redakteur der Stadtrevue. Seine Führerscheinprüfung bestand er in einem Ford, vor allem sein kontrolliertes "Anfahren am Hang" wurde gelobt. Heute jedoch unternimmt er seine Dienstreisen mit Rad oder Bahn.