Der Vorhang fällt: Bands müssen sich neue Räume suchen

Probezeit beendet

In Ehrenfeld verlieren zweihundert Bands ihre Proberäume. Ersatz finden sie kaum

Hunderte Musiker*innen »auf der Straße«, eine »tragende Säule des Musikveedels Ehrenfeld wird zerschlagen« — es sind dramatische Worte, mit denen sich Daniel Kreutz Ende November mit einem Offenen Brief an die Öffentlichkeit wendet. Kreutz ist Schlagzeuger und hat einen Proberaum in der Kulturoase in Ehrenfeld gemietet: 314 Euro für 27 Quadratmeter, er teilt ihn sich mit zwei anderen Bands. Ende Januar muss er dort ausziehen. Die Kulturoase, betrieben von der Firma Art.Olive, hat ihm gekündigt. »200 Bands verlieren ihren Proberaum«, sagt Kreutz. Wie es soweit kommen konnte, darüber gibt es verschiedene ­Versionen.

Die eine Version erzählt Oliver Doering. »Eigentlich lebe ich als Jazzgitarrist in New York«, sagt er. Sein Geld verdient er aber mit der Vermietung von Proberäumen. Neben der Kulturoase in Ehrenfeld vermietet seine Firma Art.Olive Räume auf der Schanzenstraße in Mülheim. Dort gehört ihm eine alte Industriehalle. Die Halle in Ehrenfeld, in der sich die Künstleroase befindet, hat er dagegen 2003 angemietet. Damals stand sie leer. »Wir haben erstmal Schutt herausgeräumt«, erzählt Doering. Danach haben sie Zwischenwände eingezogen, Kabel verlegt, Toiletten und Lärmschutz eingebaut. Schließlich sei sein Mietvertrag zehn Jahre gültig gewesen, mit der Option auf eine Verlängerung um weitere zehn Jahre.

Der Besitzer der Halle ist Yves Nicolas Netz. Gekauft hat er das Grundstück im Jahr 2010, mittlerweile hat er dort ein Wohnhaus und ein Hotel gebaut. Auch das benachbarte Grundstück, auf dem der ­Verein Artrmx Ateliers und Büros unterhält sowie Ausstellungen veranstaltet, befindet sich in seinem Besitz. Doering vergleicht Netz im Gespräch mit der Stadtrevue gerne mit Donald Trump: ein abgebrühter Geschäftsmann, der sich an keine Abmachung halte. 2013, als die Verlängerung des Mietvertrags über die Künstleroase anstand, habe Netz die Miete um 70 Prozent erhöhen wollen, außerdem habe er auf einen Teil seiner Rechte als Mieter verzichten sollen, erzählt Doering.

Aber Yves Nicolas Netz erzählt die Geschichte anders als Oliver Doering, der Jazzmusiker mit Nebenberuf Proberaumvermieter. 2013, als die Verlängerung des ­Mietvertrags anstand, habe er eine »geringe Erhöhung« der Miete gefordert. Netz spricht von 20 Euro pro Proberaum, etwa 30 Prozent mehr. Doering habe sich geweigert, das zu bezahlen. Außerdem habe er nicht ausreichend auf Lärmbeschwerden aus der Nachbarschaft reagiert.

Doering wirft Netz dagegen vor, diese Beschwerden in Kauf genommen zu haben, als er das Hotel über den Proberäumen baute. Er erklärt zudem, dass Netz ihn auf »erfundene« Nebenkosten von 150.000 Euro verklagt haben soll. Netz bestreitet das. Fest steht, dass die Angelegenheit vor Gericht ging und am Ende der Streitigkeiten ein Vergleich erwirkt wurde. Döring zahlte rückwirkend eine etwas höhere Miete, Ende März 2020 muss er die Kulturoase verlassen.

Die Leidtragenden dieser Geschichte: die Musiker, die bislang bei Art.Olive einen Proberaum gemietet haben. Sie stehen Ende Januar auf der Straße und müssen sich neue Räume suchen. »Die Situation ist verheerend«, sagt Daniel Kreutz, der noch keinen neuen Proberaum gefunden hat. Wie schwierig das ist, verdeutlicht eine Studie des Vereins Popkultur-Köln, die vom Kulturamt finanziert wurde. In Köln gibt es etwa 400 Proberäume, die alle komplett ausgelastet sind. Die Studie identifiziert einen Bedarf von etwa 100 weiteren Proberäumen — das war vor den Kündigungen in der Kulturoase.

»Ich hab nichts gegen Kultur«, sagt Yves Nicolas Netz, der Besitzer der Kulturoasen-Halle. Er könne sich vorstellen, einen Teil der Halle an den Verein Artrmx zu vermieten. Dort könnten weitere Ateliers
oder Büros entstehen. Ein erstes Gespräch mit dem Kulturamt hat schon stattgefunden.