Schlank bis schlaksig: The Düsseldorf Düsterboys

Widerstand durch Normalität

The Düsseldorf Düsterboys spielen hintersinnig vordergründige Musik

Bands können sich ihr Publikum nicht immer aussuchen. Man darf aber gerne davon ausgehen, dass The Düsseldorf Düsterboys nicht unzufrieden waren mit dem An­drang, der im Bumann & Sohn hereinschneite. Erschreckend uneitel angezogen, kein einziger Dandy, viele Funktionsjacken, alles sehr gediegen, einzig ein Mädchen mit raspelkurzen, rotgefärbten Haaren, das war’s an Aufmüpfigkeit: der graue Charme der Bourgeoisie. Das Konzert war ausverkauft.

The Düsseldorf Düsterboys respektive Pedro Goncalves Cresc­enti und Peter Rubel sind die Poster­boys einer Generation von Musik­­interessierten, die täglich weniger Lust haben an großen Gesten und lautem Trubel. Pedro und Peter sind die beiden Köpfe der Band, die mit­tlerweile zum Quartett angewachsen ist; außerdem leiten sie nebenher (oder als Hauptaufgabe) International Music, jenes Projekt, das letztes Jahr großen Applaus und Lobeshymnen einheimste.

Wohlfeil sind hier weder Pub­likum noch Band. Peter Rubel, schlank bis schlaksig, kurze, brünette Haare, Schnäuzer, Fleece-Jacke, schwarze Hose: Wenn man so will, das westfälische Gemüt in der passenden Schale. Pedro Goncalves Crescenti, ein wenig spitz­bübisch, ein feiner Hauch von Mac Demarco in den Gesichtszügen, Mützenhub hochgezogen, ein breiter Ring am rechten Zeigefinger, alles ohne Star-Gehabe, einfach normal. Beide sind keine Slacker, Zurückgelehntheit haben sie trotzdem perfektioniert. Das passt so gut zu ihrer Wahlheimat Essen (noch Rheinland!) beziehungsweise zum westfälischen Hinterland: Man mag es kaum glauben, dass sie aus Mainz kommen und dort gemeinsam in einer Schülerband spielten. Rubel zog es zum Kompositionsstudium nach Berlin, danach an die Folkwang Universität und Crescenti zog es hinterher. Der Name The Düsseldorf Düsterboys stammt noch aus Schulzeiten, wo Rubel den Namen geträumt haben möchte. Lustigerweise hatte das damals wie heute rein gar nichts mit der Landeshaupt­stadt zu tun. Man nennt sich einfach so, »warum nicht«. Die Unaufgeregtheit der beiden ist schon fast reizend — in beiderlei Hinsicht.

Fragen werden in der Regel klar und knapp beantwortet. »Wie fühlt ihr euch in Essen und dem Ruhrgebiet?«— »Wir passen gut dahin«. Oder auch: »Wie schreibt ihr eure Texte?« — »Peter braucht länger beim Schreiben, Pedro macht das manchmal ganz beiläufig. Wir ­texten eigentlich während des Komponierens.«

Das hat wenig mit Verweigerung zu tun und noch weniger mit Popstar-­Klischees; vor allen Dingen ist es nicht boshaft, sondern von Grund auf ehrlich. Ironie scheint nicht ihr Ding zu sein. Erstaunlich, wenn man sich ihre Texte anschaut, die voller Wortspiele, kruden Bildern, gewissen Witzchen und ganz viel Humor stecken. »Ist Humor eigentlich das richtige Wort, oder ist es viel mehr komisch, was ihr macht?« Rubel antwortet, dass ihm das Wort »komisch« in seiner Doppeldeutigkeit — sowohl lustig als auch seltsam — doch ganz gut ge­falle. Das passe zu ihnen. Crescen­­ti fügt hinzu, dass Ernsthaftigkeit auch bedeuten kann, sich selbst zu ernst zu nehmen. Allerdings könne der Spaß am Spiel schnell in Klamauk um­schlagen. Das sei aber auch nicht gut oder richtig. Beides nicht ihr Ding — wer hätte das gedacht?! Hier wird gekonntes Mittelspur-Fahren hochgehalten.

Die Normalität führt gleichwohl in die falsche Richtung: The Düsseldorf Düsterboys ist wenig gelegen an der Sicherheitsromantik des Deutschpops, es gibt kein um­fas­sen­des Programm der Nor­mali­sierung. Ihr Album »Nenn mich Musik«, Ende Oktober erschie­nen und ­derzeit auf die Bühnen ge­bracht, erinnert viel mehr an Bands wie Kings of Convenience.

Bei ihnen gibt es zwar die hy­per­moderne, globalisierte Welt, und diese mag auch Furcht einjagen. Doch die Antwort kann ja nicht Konservatismus und Abschottung lauten. Große politische Parolen vermisst man dennoch. Denn leise ist eben nicht mehr laut, sondern normal schlicht und ergreifend normal. Dazu passend: 2013 prägte der Blog K-HOLE den Begriff Normcore. Anstatt sich mit den Mitteln der gro­ßen Labels und von Mainstream-Waren sich seiner Individualität zu versichern (American Apparel-Farb­vielfalt oder Band-Shirts), berufen sich Normies auf den Non-Style. Wie soll man es auch anders halten? Seit Grunge und Guns’n’Roses parallel zur neo-liberalen Globalisierungswelle Anfang der 90er Jahre die Aushöhlung der Jugendkulturen vorantrieben, meinte so mancher, Doc Martens und Flanellhemden reichten zur Individualisierung. Die Parallelität zu unserer Gegenwart ist offen­sichtlich. Das Düsseldorf-Düster­boys-­Rezept: Lindenstraßen-Roman­tik, einen Begriff, den sie im Interview unisono wertschätzen. Wider­stand durch Normalität. Selten gewagt, gleichsam nie langweilig.

Reicht das heutzutage, um von Kritiker*innen landein, landaus, vom Fanzine bis zu den Feuilletons der großen Tageszeitungen Lob zu kassieren? Anscheinend. Die taz lobt, dass sie am besten seien, wenn ihre Lieder Volksliedcharakter hätten, und Die Zeit er­kennt das Erfolgs­re­zept in der besun­genen Armseligkeit. Dazu kommen halt all diese Leute, die an einem verregneten Tag sich auf den Weg Richtung Bahnhof Ehrenfeld mach­ten. Das Konzert war tatsächlich schon lange im Vorhinein ausverkauft — bei Pedro und Peter mittlerweile … normal.

Tonträger: »Nenn mich Musik« ist bereits auf Staatsakt (H’Art) erschienen