Mittendrin in Monheim: Achim Tang

Act local, think big

Die Monheim Triennale ist das ambitionierteste Festival-Projekt unserer Region. Der Kölner Bassist Achim Tang ist dort Artist-in-Residence

 

Schon im Sommer sickerte es durch: In Monheim werde 2020 das ganz große Feuerwerk abgefackelt, ein neues Festival sei in Planung. Die Auswahl der Musiker: handverlesen. Das Konzept: konsequente Gleichberechtigung aller zeitgenössischen Musikstile. Elektronik in der Stockhausen-Tradition; Neo-Country und Bluegrass-Musik; Grime Jazz; queere Disco und Berghain-Techno; Noise Rock; Soul: alles solle dabei sein, alles werde ohne Hierarchie präsentiert.

Das Festival-Konzept, das Inten­dant Reiner Michalke (Programmchef des Stadtgartens) mit fünf Kuratoren (u.a. Stadtrevue-Autor Thomas Venker) entwickelt hat, geht tatsächlich noch weiter: Die Musikerinnen und Musiker werden nicht ihr übliches Tour- oder DJ-Programm abspulen, sondern an allen Festival-Tagen (1.–5.7.) anwesend sein und sich mit den anderen in vorher abgesprochenen oder auch spontanen Gruppen mischen. Ein riesiger Workshop, in dem man, sagen wir, Ava Mendoza, Philipp Sollmann, Lakecia Benjamin, Shabaka Hutchings und Sam Amidon gemeinsam auf einer der zahlreichen Bühnen sehen wird (oder auch nicht).

Das hat es noch nie gegeben — und wird es in dieser Form auch nicht mehr geben. Das Werkstatt-Prinzip der freien Musik wird ausgedehnt auf alle spannenden Musiken der Gegenwart. Die Kuratoren haben zwar die Musiker ausgesucht, aber das Programm gestalten diese selber. Das ist konsequent, erfrischend und überrascht. Wer hätte das auf dem gesättigten Festival-Markt noch für möglich gehalten?

Mittendrin ist Achim Tang, eigentlich hat er das Festival schon längst eröffnet. Seit Februar hat der Kölner Bassist, eine der Größen der Jazz- und Improvisationsszene, eine Wohnung in Monheim. Er ist Artist-in-Residence und mobilisiert die Monheimer Stadtgesellschaft, Chöre, Hobbymusiker, Neugierige, Skeptiker — alle sind eingeladen, mit Tang musikalische Projekte zu erarbeiten, die in der eigentlichen Festival-Woche präsentiert werden. Auch hier gilt der Anspruch: gleichberechtigt mit den Stars aus Übersee.

Die Monheim Triennale solle kein Festival sein, sagt Tang, das in die Stadt hineingebeamt wird, keine Invasion der Neu- und Schrägtöner, sondern ein Festival aus der Stadt — und für die Stadt. Es ist auf Langfristigkeit angelegt. Damit kennt Tang sich aus: Seit seinem Umzug von Wien nach Köln vor 15 Jahren hat er hier mit Schulklassen über Jahre Improvisations- und andere offene Musikkonzepte entwickelt. Über die Zusammenarbeit mit den Monheimer Chören und der Musikschule meint er: »Ich merke, wie wenig selbstverständlich ist.« Das ist keine Kritik, sondern Ansporn. Die Zusammenarbeit mit den Leuten vor Ort kann sich unbefangen entwickeln, in Tangs zupackender, impulsiver Art äußert sich vieles, was Improvisierte Musik und Jazz ausmachen.

Monheim, 40000 Einwohner, ist zwischen Leverkusen und Düsseldorf gequetscht, auf der anderen Rheinseite liegt Worringen. Monheim war immer die unspektakulärste Stadt im ohnehin unspektakulären Kreis Mettmann. Musik­a­lisch bekannt allein für das Jugendzentrum Sojus 7, einst eine Punk- und Hardcore-Hochburg. Als Stadt wurde Monheim durch seinen jugendlichen Bürgermeister Daniel Zimmermann bekannt, der sein Amt 2009 erst 27jährig antrat und bis heute der mit Abstand beliebteste Lokalpolitiker ist. Zimmermann setzte ein radikales Steuerkonzept um, das wohl nur in einem Ort, der von drei Großstädten mit ihrer Großindustrie umgeben ist, funktionieren kann: Er senkte die Gewerbesteuer auf den niedrigstmöglichen Satz und lockte damit zahlreiche Unternehmen an, in Monheim ihren ersten Firmensitz zu eröffnen. Die darüber generierten Einnahmen übertrafen alle Erwartungen, Monheim ist heute eine schuldenfreie Gemeinde und verfügt über so große Rücklagen, um zum Beispiel für mindestens zehn Jahr die Triennale zu stemmen.

Das heißt, dass Tang länger­fristig planen kann, bis 2023 ist er Artist in Residence. Die Projekte, die er anschiebt, sind nicht mit dem Festival im Sommer beendet, u.a. soll für die Combos ein fester Spielort erschlossen werden. Wenn Monheim sich zu einer eigenständigen Szenerie für aktuelle Musik entwickeln wird — durchaus unabhängig von Köln oder Düsseldorf —, würde das die Arbeit Tangs krönen. Die Chancen stehen nicht schlecht.

Monheim Triennale 1.–5.7.2020

16 international renommierte Musikerinnen und Musiker, ein Artist-in-Residence, dazu zahlreiche Laienmusiker und lokale Akteure. Drei große Bühnen, mit der am Rhein gelegenen »Kulturraffinerie K714« als zentraler Spielstätte (die Platz für 700–800 Zuschauer bieten wird): Und auf der Homepage steht, es handele sich bloß um die kleinere Ausgabe des Fes­tivals, richtig los gehe es ab 2023! Dabei ist die erste schon durchgehend hochkarätig besetzt. Um einige Acts zu nennen: ­­Sam Amidon und Terre Theamlitz; ­Marcus Schmickler und Stian Westerhus; Jennifer Walshe und Ava Mendoza; Philip Sollmann und Sofia Jernberg — die Kon­traste könnten nicht größer sein. Hinzu kommen noch Musiker aus den jeweiligen Band der Eingeladenen. Zwischendurch präsentiert Free-Jazz-Drummer Greg Fox seine Black-Sabbath-Coverband.

Das Festival findet in der ersten
Sommerferienwoche statt, der Ticket­vorverkauf ist bereits eröffnet. Infos: monheim-triennale.de

Die Arbeit von Achim Tang wird ­kon­tinuierlich unter airmonheim.de ­dokumentiert.