»Wenn es nicht weh tut, hilft es nicht«:Katharinenhof im Severinsviertel

Gefahr durch Fußboden­heizung

Im Severinsviertel werden Mieter jetzt vor Verdrängung geschützt. Eigentümer laufen Sturm

»Bestlage Severinsviertel — Erstbezug nach Sanierung«, heißt es in einer Anzeige. Angepriesen wird eine Wohnung mit Kamin-Attrappe neben der Luxus-Einbauküche und Terrasse samt Blick auf zwei Brandwände. Die 74 Quadratmeter kosten monatlich 1450 Euro, zuzüglich Kosten für die Öl-Heizung des ­Altbaus von 1912.

CDU, Grüne, SPD und Linke beschlossen nun Mitte Dezember im Stadtrat, die Mieter im Severinsviertel besser vor Verdrängung zu schützen. 2017 hatte der Stadtentwicklungsausschuss die Verwaltung beauftragt, für das Veedel, das rasante Mietsteigerungen verzeichnet, eine Soziale Erhaltungssatzung zu erarbeiten: ein wohnungspolitisches Instrument aus den 70er Jahren. Die FDP lehnt die Satzung ab. Sie stelle Eigentümer »unter Generalverdacht«, sagte Katja Hoyer. Es gebe viele, die sozial verantwortlich vermieteten.

Auch im Viertel ist die Satzung umstritten. Einige Hausbesitzer drohen mit rechtlichen Schritten. »Wenn es nicht weh tut, hilft es nicht«, sagt dazu Marc Höhmann vom Amt für Stadtentwicklung. Die betroffenen Eigentümer — im Severinsviertel sind das vergleichsweise viele Einzeleigentümer — müssen künftig Umbauten und Sanierungen genehmigen lassen. Tragen sie zur Aufwertung im Viertel bei, soll die Stadt die Genehmigung verweigern. Auch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen darf die Stadt nun verbieten. Berlin, München und Frankfurt haben so bereits Dutzende Quartiere unter Schutz gestellt. In Köln ist das Severinsviertel nach der Mülheimer Stegerwaldsiedlung, die Mitte der 90er Jahre vor der sich ausbreitenden Kölner Messe geschützt werden sollte, erst das zweite Gebiet.

Eine soziologische Untersuchung soll vor Gericht die notwendigen Argumente liefern. Geschützt wird nämlich eine bestimmte soziale Zusammensetzung, ein Milieu, das verdrängt zu werden droht. Ein Berliner Büro wurde beauftragt, das zu bestimmen. Das Ergebnis ist eindeutig: In den Häusern mit Grundrissen, die oft mittelalterlichen Zuschnitten entsprechen, wohnen viele Menschen seit langem in kleinen, ein­fachen Wohnungen, zu günstigen Mieten, und sind darauf auch an­gewiesen. Die Gefahr für dieses Milieu beschreiben die Gutachter so: Die Zusammenlegung von kleineren Wohnungen verspreche höhere Erlöse, ebenso der Einbau von Fußbodenheizungen, Gäste-WCs, Anbauten von Terrassen, ­Balkonen, Wintergärten, Aufzügen. Allerdings: Energetische Sanierungen seien vergleichsweise selten erfolgt; obwohl Eigentümer dadurch bis zu acht Prozent auf die Miete aufschlagen können.

Als Studie und Satzungsentwurf vorlagen, formierte sich Widerstand bei Haus- und Grundbesitzerverein sowie der Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG), gegründet zur Aufwertung der Severinstraße zur Einkaufsstraße. Die Stadt müsse für bezahlbaren Wohnraum sorgen, nicht die Eigentümer, so die ISG. Die Satzung spalte die Bevölkerung, schrieb der Haus- und Grundbesitzerverein — als sei sie die Ursache für die gegensätzlichen Interessen von Eigentümern und Mietern. Haus- und Grundbesitzerverein sowie ISG bezweifeln, dass die Studie die Nöte der Mieter repräsentativ erfasst habe.

Hans-Jörg Depel, Geschäftsführer des Mietervereins, hofft dagegen, dass die Satzung schnell und konsequent umgesetzt wird. »Wir wollen, dass das rasch auf andere Viertel ausgeweitet wird«, sagt Depel. Die Stadt will in den kommenden Monaten »Verdachtsgebiete« benennen. Geld für zu­­sätzliches Personal stehe bereit, teilte Baudezernent Markus Greitemann mit.

Dietmar Aigner von der Initiative »Recht auf Stadt« beklagt eine Schieflage in der öffentlichen Debatte. »Die Mieter sind die Betroffenen, kommen in der Satzung aber nicht vor«, sagt Aigner. Teilnehmer einer Veranstaltung von »Recht auf Stadt« waren wütend, weil den Eigentümern jetzt so viel Aufmerksamkeit geschenkt werde, während Menschen, die sich die Mieten nicht mehr leisten können, ihre Heimat verlören.

Auch wenn die Satzung nun in Kraft tritt: Es ist unsicher, wie lange die Stadt die Umwandlung in Eigentumswohnungen noch verbieten kann. Das hängt von der schwarz-gelben NRW-Landesregierung ab. Die zugrunde liegende Verordnung läuft im März aus. Die Stadt ist laut Baudezernent Greitemann bereits in Gesprächen mit Düsseldorf. »Für die Milieuschutzsatzung ist das ein ganz entscheidender Punkt«, sagt Jochen Ott, Vize-Fraktionschef der SPD im Landtag. Aus dem zuständigen CDU-geführten Ministerium von Ina Scharrenbach und aus der Fraktion des liberalen Koalitionspartners heißt es, ein Gutachten zu dieser Verordnung sei in Arbeit. Im Koalitionsvertrag hatten sich CDU und FDP auf eine Abschaffung geeinigt. »Das wäre gegen das Interesse einer gemischten Stadt«, sagt Ott.