Gemeinsam erfolgreich: Jonas Katzenstein, Maximilian Leo

Mit Kammerspielen in die weite Welt

Die Kölner »augenschein Filmproduktion« streckt sich mit »7500« Richtung Hollywood

»Wir machen gerne den Witz, dass wir denkbar schlecht geeignet waren für den Job eines Produzenten«, sagt Maximilian Leo und muss lächeln. Er sitzt in seinem unscheinbaren Büro direkt über einem Lebensmittelmarkt an der Neusser Straße und entschuldigt sich, weil seine Stimme immer wieder versagt. Gestern gab es längere Verhandlungen — als Produzent muss man viel reden. Besonders wenn man gerade einen Lauf hat.

Mit »wir« meint er sich und seinen Kompagnon Jonas Katzenstein, mit dem er zusammen 2008 die augenschein Filmproduktion in Köln gegründet hat. Da studierte er selber noch Regie an der Kunsthochschule für Medien und Katzenstein betrieb ein Tonstudio.

Ihr erstes gemeinsames Projekt war die Produktion einer DVD für einen Buchverlag als Beilage zu einem erfolgreichen Eheratgeber. »Anfangs waren wir sehr breit aufgestellt, wir hätten niemals gedacht, dass wir eine reine Kinoproduktionsfirma werden können — auch wenn das für uns immer die höchste Kunst war.« Das erste zusammen verdiente Geld steckten sie in die Entwicklung eigener Projekte, zugleich bildeten sie sich an der internationalen filmschule köln fort. Dort lernten sie: Es gibt nicht den einen Weg, als Produzent Erfolg zu haben, und: Um das Geschäft zu verstehen und ein Netzwerk aufzubauen, sind Reisen auf internationale Festivals und Branchenevents unerlässlich.

Als Kölner Produzent hat man dabei zwei große Vorteile: eine im europäischen Vergleich gut ausgestattete Filmförderung und mit dem WDR einen der größten Fernsehsender Europas in der Stadt — wobei dessen Bedeutung als Koproduzent von Kinofilmen in den letzten Jahren abgenommen hat. »Am Anfang produziert natürlich kein Topregisseur mit dir«, erklärt Leo. »Aber als Newcomer kannst du wertvolle Erfahrungen sammeln als deutscher Partner etwa eines bekannten rumänischen Regisseurs.«

Zugleich hat augenschein immer schon deutsche Filmemacher im Blick gehabt. Ganz zu Beginn produzierten sie Kurzfilme von hiesigen Hochschulabsolventen und dann auch Langfilme, darunter Leos eigenen Debütfilm als Regisseur: »Hüter meines Bruders«. »2017 war dann ein extremes Jahr: Unser Film »My Happy Family« lief in Sundance und Berlin, »Ana, mon amour« hat in Berlin einen Silbernen Bären gewonnen, »Los perros« lief in Cannes, wir hatten drei Koproduktionen in Venedig.«

Doch der Erfolg fühlte sich zwiespältig an, denn dass er sich nicht auf die Kinokassen übertragen lassen würde, war Leo und ­Katzenstein klar. Sie waren weit davon entfernt, den »Taxifahrer-Test« zu bestehen, wie Leo es nennt: »Wenn ein Taxifahrer mich fragt, was ich beruflich mache, und ich dann sage: Filmproduzent, kennt er garantiert keinen der Filme von augenschein. Das fühlt sich doof an.«

Das könnte sich demnächst ändern. Denn mit »7500« kommt Ende Dezember ein Film von augenschein in die Kinos, der eine größere Zielgruppe anspricht als das Festivalfilm-Klientel. »Looper«-Hauptdarsteller Joseph Gordon-Levitt spielt darin einen Kopiloten, der ganz allein verhindern muss, dass sein Flugzeug in die Hände von islamistischen Terroristen gerät. Regie führte Patrick Vollrath, der für seinen Dreißigminüter »Alles wird gut« (2015) unter anderem einen First Step Award gewonnen hat, einen Preis in Cannes und für einen Oscar nominiert wurde.

Jonas Katzenstein hatte den Film als Juror beim Max-Ophüls-Festival in Saarbrücken gesehen, wo er den Preis für den besten mittellangen Film gewann, und Vollrath gleich dort aufgefordert, doch mit seinem nächsten Projekt bei augenschein anzuklopfen.

Auch in den USA war man durch die Preise auf Vollrath aufmerksam geworden. Und so kam die Idee, »7500« mit einem US-Schauspieler zu besetzen und auf Englisch zu drehen. Was durchaus Sinn macht: Die Kommunikation im Cockpit findet sowieso auf Englisch statt und durch einen US-Piloten wird das Terrorismus-Thema noch einmal zugespitzt.

Zunächst hatte Paul Dano für die Hauptrolle zugesagt, doch als der wegen eines Seriendrehs nicht zur Verfügung stand, sprang Gordon-Levitt ein. In den USA war man jedenfalls beeindruckt, erzählt Leo. Ein Projekt mit einem oscarnominierten Regisseur, einem bekannten Hauptdarsteller, kommerziellem Potential und bereits stehender Finanzierung wird auch dort nicht alle Tage angeboten. Wobei »7500« trotz des extrem beschränkten Handlungsraums — der Film spielt ausschließlich im Cockpit des Flugzeugs — nicht billig war.
Da Vollrath auf größtmöglichen Realismus bestand, musste für den Dreh ein Flugzeug gekauft werden. Das vordere Drittel wurde abgesägt und in den Ossendorfer MMC-Studios auf eine hydraulische Kon­struktion gehievt.

Leo und Katzenstein sind durch den Dreh so etwas wie Experten für extreme Kammerspiele geworden. Im Sommer waren sie wieder in Ossendorf mit einem internationalen Cast: Diesmal wurden dort Raumschiffaufnahmen für den Science-Fiction »Stowaway« mit Anna Kendrick und Toni Colette in Hauptrollen gedreht, der Mitte nächsten Jahres fertig werden soll.

»7500« konnten sie derweil an Amazons Streamingdienst verkaufen. Auftragsproduktionen wird es von augenschein aber auch in Zukunft nicht geben: »Wir wollen unsere Projekte selber aussuchen und mit Leuten umsetzen, die wir schätzen. Wir werden weiter Festivalfilme machen und deutschsprachiges Kino, aber langfristig wollen wir ermöglichen, dass man nicht weggehen muss, wenn man »Hollywood-Filme« machen will. Warum sollen Filme wie »Memento« oder »Inception« nicht aus Deutschland heraus entstehen können?«