Schreibt auf die Pointe: Felix Scharlau

Antiheld im Klick-Ruhm

»Du bist es vielleicht« von Felix Scharlau ist eine Medien-Satire mit dem Charme eines Punksongs

Timo Tripke ist eine verkrachte Existenz. Mit Ende 30 wohnt er zur Miete in einer stinklangweiligen Neubausiedlung, seine Ehe liegt in den letzten Zügen. Tagsüber arbeitet Tripke als Geschichtslehrer an einem Gymnasium. Das Kollegium besteht aus Strafversetzten und mental Frühverrenteten, zu denen auch Tripke selbst zählt. Als eine Unterrichtsstunde nicht nach Plan verläuft, muss er improvisieren, und das macht ihn berühmt. Er zeichnet den perfekten Kreis, ein Schüler stellt ein Video davon ins Netz, es geht viral.

»Du bist es vielleicht« ist eine Satire auf die Unterhaltungsindustrie. Wenngleich nicht ganz freiwillig, versucht Tripke, den kurzlebigen Ruhm im Internet zu kapitalisieren. Nach Stationen beim lokalen
Radiosender und bei Günter Jauch folgt auf den kurzen Ruhm der tiefe Absturz: Nach einem Vollrausch, der von einem »Leserreporter« dokumentiert wird, kommt die Einladung als ins »Dschungelcamp« und damit die finanzielle Sanierung und die Rettung vor dem Vergessenwerden.

Timo Tripke ist ein Antiheld aus dem Lehrbuch, irgendwo zwischen Donald Duck und Renton aus »Trainspotting«. Er lässt die routinierten Demütigungen über sich ergehen, und so gelingt es ihm mit reichlich Glück, irgendwann seinen wahren Traum zu verwirklichen: auf dem Hausboot seines Opas zu wohnen, wo er die schönsten Stunden seiner Kindheit verbracht hat.

Das Besondere an Tripkes Geschichte ist ihre Überzeitlichkeit. Sie spielt zwar zwischen Insta-Likes und Youtube-Klicks, aber ihr Figurenkabinett aus Managern, die ihren Schützling übers Ohr hauen, profilierungssüchtigen Medienprofis und einem unglücklich verliebten Protagonisten könnte auch irgendwann in den vergangenen 75 Jahren Kulturindustrie spielen. Autor Felix Scharlau kennt sich aus, er war früher Redakteur beim Popmagazin Intro, heute ist er Autor für die »heute show«. Das macht sich in der Prosa bemerkbar. »Du bist es vielleicht« ist auf die Pointe hin geschrieben, aber niemals schenkelklopfend — ein Buch wie ein guter Punksong. Nachdem es vorbei ist, hat man nicht unbedingt etwas Neues erfahren, aber sich zumindest ein paar Mal über die Richtigen lustig gemacht.

 

Felix Scharlau: »Du bist es vielleicht«, Ventil, 264 S., 15 Euro