Schwesternpower: Emma Watson, Florence Pugh, Saoirse Ronan, Eliza Scanlen

»Little Women«

Greta Gerwig modernisiert geschickt Louisa M. Alcotts vielverfilmten Bestseller

Über Frauen zu schreiben, sei kein Problem, erklärt der New Yorker Verleger der Jungautorin Jo — sie müssten am Ende der Geschichte aller­dings entweder verheiratet sein oder tot. Louisa M. Alcotts 1868 und 1869 in zwei Bänden erschienener Roman »Little Women« hält sich an diese Vorgaben für Frauenschicksale. Greta Gerwigs Verfilmung, die mit der Szene im Verlegerbüro beginnt, bleibt der Vorlage treu, aktualisiert sie aber mit einem Erzählkniff, der nicht verraten werden soll, intelligent für das 21. Jahrhundert. Drehbuchautorin und Regisseurin Gerwig vollbringt damit ein kleines Wunder: die Fans des seit 150 Jahren beliebten Best­sellers nicht vor den Kopf zu stoßen und dennoch den Anachronismus der Vorlage nicht zu leugnen.

Die zunächst auffälligste Modernisierungs­maßnahme ist, dass Gerwig den zeitlichen Ablauf der Geschichte gehörig durcheinander­würfelt. Aus der linearen Buch­erzählung wird eine zunehmend komplexe Aneinander­reihung von Vor- und Rückblenden, die die Aufmerksamkeit des Publikums fordert. Von Jos Aufenthalt in New York etwa erzählt Alcott erst im zweiten Teil ihres Buchs. Zur Weihnachtsfeier, die am Anfang des Romans steht, kommt Gerwig dagegen erst, nachdem sie Jo und ihre Schwestern einzeln vorgestellt hat. Erst dann geht es im Film mit einem Zeitsprung sieben Jahre zurück, als die vier noch mit ihrer Mutter und einer Haushälterin in Massachussets leben. Jo ist da schon der »Tomboy« der Familie, ein Wirbelwind mit literarischen Ambitionen. Ihren Erlebnishunger teilt sie mit ihrer jüngeren Schwester Amy, die sich zur Malerei hingezogen fühlt, aber anders als Jo zu Prinzessinnen-Allüren neigt. Die jüngste Schwester Beth liebt das Klavierspiel, ist ansonsten aber die Stille der vier. Die älteste Schwester Meg besucht schon Bälle, die als Heiratsmärkte funktionieren.

Die Verheiratung zumindest eine der vier Schwestern an einen wohl­habenden Verehrer würde der Familie helfen. Der Vater ist an der Seite der Nordstaaten in den Bürgerkrieg gezogen und das Geld ist in dem Frauen­haushalt knapp. Ein möglicher Kandidat wäre Theodore, der Enkel des wohlhabenden Nachbarn Mr. Laurence. Doch der hübsche, aber auch verwöhnte junge Mann verliebt sich natürlich ausgerechnet in Jo, die so gar nichts mit Jungs anfangen kann — während ihre Schwestern ihm hinterherschmachten.

Gerwig beweist erneut Sensibilität für Klassenfragen

Wie schon in ihrem letzten Film »Lady Bird« und in Noah Baumbachs »Frances Ha«, an dem sie als Koautorin und Hauptdarstellerin beteiligt war, beweist Gerwig auch in ihrem neuen Film eine für das amerikanische Kino mittlerweile ungewöhnliche Sensibilität für Klassenfragen. Ihre Heldinnen müssen immer eine Klassenzugehörigkeit »performen«, die sie ökonomisch eigentlich nicht aufrechterhalten können.

Gerwigs trotz ihres schmalen Œuvres deutlich ausgeprägte Handschrift kann man ebenso erkennen in ihrem sehr physischen Verständnis von Schauspiel und Komik — kein Film ohne Tanzsequenz oder Slapstick­einlage —, die bis in die Dialogsequenzen hinein auffällig ist. Sie verbindet die Pointiertheit und Redefreude der klassischen Screwball-Komödien Hollywoods mit der ungeordneten, überbordenden Lebendigkeit und der Fülle eines Ensemblefilms Robert Altmans.

Gerwig ist im Herzen versöhnlich und den Verführungstechniken des alten Hollywood nicht abgeneigt: Die schwelgerische Filmmusik wird dick aufgetragen, die Kamera taucht die Szenerie immer wieder in honig­farbenes Morgenlicht und die Ballsequenzen wuchern mit einer Pracht, die im amerikanischen Independentkino nicht möglich wäre. Mit Erfolg: An den amerikanischen Kinokassen startete »Little Women« auf Platz 3 hinter »Star Wars« und »Jumanji«. Es wird viel über das Ende des anspruchs­vollen, mittelhoch budgetierten Hollywoodfilms geschrieben, Gerwig zeigt, dass er durchaus noch Menschen in die Kinos ziehen kann.

(dto) USA 2019, R: Greta Gerwig
D: Saoirse Ronan, Florence Pugh, Emma Watson
135 Min. Start: 30.1.