Der Gewalt ins Auge schauen: Lukas Bärfuss | Foto: Lea Meienberg

Liebe mit Leiden

Autor Lukas Bärfuss schildert in seinem neuen Erzählband, wie schmal der Grat zwischen Zuneigung und Gewalt ist

Das literarische Werk von Lukas Bärfuss ist ohne sein politisches Engagement nicht denkbar. Seine besten Jahre habe er mit dem Studium der Gewalt verbracht, die Existenzen seiner Figuren manövriere er systematisch ins Leid, erklärt der gebürtige Schweizer in seiner Rede zum Büchnerpreis: »Ich bin ein Schriftsteller aus dem Europa des 20. Jahrhunderts: Welchen Faden ich auch immer aufnehme, hinter der nächsten oder spätestens der übernächsten Ecke führt er zu einem Massengrab.«

Vom Völkermord in Ruanda bis zum Suizid seines Bruders — existenzielle Leiden durchziehen Bärfuss’ literarische Erzählungen. Seine Politisierung beginnt allerdings mit der eigenen Familiengeschichte. 1971 in Thun geboren, wächst der Autor in prekären Verhältnissen auf, verlässt vorzeitig die Schule und lebt als Jugendlicher zeitweise auf der Straße. Nach einer Ausbildung zum Buchhändler schreibt Bärfuss zunächst Theaterstücke. »Die toten Männer« ist schließlich sein Romandebüt über eine bereits zu Lebzeiten ausgestorbene Gattung: die des leidenschaftlichen Mannes.

Den Männern ohne Leidenschaften widmet sich Bärfuss nun erneut in seinem aktuellen Erzählband »Malinois«, in dem seine männlichen Protagonisten nach Liebe und Begehren suchen: Ob ein Ehemann, der sich nach seinem Schwager verzehrt, oder ein Dramatiker, der sich nach seiner verstorbenen Mutter sehnt — am Rande des Alltäglichen müssen sie alle feststellen, dass Leidenschaften sprichwörtlich auch Leiden schaffen. Die Symbiose von Liebe und Gewalt erreicht ihren Zenit in der Titelgeschichte, in der sich ein Mann und eine Frau neben einem verblutenden Tier sexuell vergnügen. Das Tier ist ein belgischer Schäferhund der Rasse »Malinois«.

Das Böse, sagt Bärfuss in seiner Büchnerrede, »es ist nicht in uns, es ist zwischen uns«. Sein literarisches Werk sei das Zeugnis zwischenmenschlicher Grausamkeiten. Auf die Frage, was Liebe sei, hat der Autor dann auch in »Malinois« die ernüchternde Antwort: Sie ist nichts als »eine Grausamkeit, die sich der Zärtlichkeit bedient; eine Gesetzlosigkeit, die Freiheit behauptet.«

Buch: Lukas Bärfuss, »Malinois: Erzählungen«, Wallstein, 128 S., 18 Euro

Stadtrevue präsentiert

Lesung: Mi 12.2., Odeon, 19.30 Uhr