Bildungsauftrag erfüllt: Demonstration gegen rechte Anti-WDR-Hetze im Januar

Die Umweltsau durchs Dorf getriebenn

Der WDR reagiert hilflos auf eine rechte Kampagne

WDR-Intendant Tom Buhrow liest möglicherweise gern die New York Times, schließlich hat er selbst schon für das Blatt geschrieben. 2010 war das — da war er noch Moderator der »Tagesthemen«. »Meine europäischen Mitbürger, nicht wir Deutschen wenden uns von Europa ab. Ihr seid es, die sich ihm nie ganz zugewandt haben«, schrieb er damals in staatsmännischer Manier.

Was er am 11. Januar dort lesen musste, dürfte ihm aber nicht gefallen haben. Die Zeitung befasste sich unter anderem mit Buhrows Rolle in der Debatte um ein Video, das kurz nach Weihnachten nach nur wenigen Stunden von der Facebook-Seite von WDR 2 gelöscht wurde: eine Version des rund 90 Jahre alten Kinderliedes »Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad«. »Anstatt die Situation zu beruhigen, haben seine Kommentare sie nur noch angeheizt«, schrieb die Times.

In dem Video besingt der WDR-Kinderchor auf heitere Art das nicht zwingend klimafreundliche Verhalten einer fiktiven Oma, die mit ihrem SUV unter anderem »zwei Opis mit Rollator« aus dem Weg räumt und sich insgesamt wie »’ne alte Umweltsau« aufführt. Nach der schnellen Löschung des Videos entschuldigte sich Buhrow exzessiv für diese Aktualisierung des Klassikers. Allein in einer 61 Sekunden langen Videoansprache nannte er sie zweimal »missglückt«, sprach zwei weitere Male von einem »Fehler« — sehr zur Freude der rechten Online-Netzwerke, die das Oma-Lied genutzt hatten, um eine neue Wutwelle gegen ihren Lieblingsfeind, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, zu inszenieren.

Am ersten Samstag des Jahres präsentierte die WDR-TV-Sendung »Aktuelle Stunde« eine Datenauswertung, die deutlich machte, wie die rechte Szene die Empörung auf verschiedenen digitalen Wegen orchestriert hatte. Laut Zählung der von der Amadeu-Antonio-Stiftung betriebenen Informationsplattform »Belltower News« veröffentlichte allein das rechtsradikale Hetzportal Journalistenwatch zwischen dem 28. Dezember und dem 14. Januar 27 Beiträge zur Causa Umweltsau.

Nicht nur Akteure vom rechten Rand nahmen das harmlose Lied zum Anlass, sich in Szene zu setzen. Die Zeit druckte einen Unkraut-und-Rüben-Beitrag des Ministerpräsidenten Armin Laschet, der die Kinderchor-Performance »gedankenhubernd in den ›politischen Diskurs der Konfrontation‹ einsortierte«, wie die Süddeutsche Zeitung befand. Und im Spiegel sang Laschet eine Version des rechten »Das wird man ja wohl noch sagen dürfen«-Gassenhauers:
»Es kann nicht sein, dass Sie in Deutschland alles kritisieren dürfen, vom Papst abwärts — nur nicht die Beiträge des Westdeutschen Rundfunks.«

Nach einer Redakteursversammlung, die rund eineinhalb Wochen nach der Löschung stattfand, zeigten sich viele Teilneh­mer*innen irritiert darüber, dass die Hierarchen des Senders nicht bereit waren, ihren naiven Umgang mit rechter Propaganda zu hinterfragen. Jochen Rausch, WDR-2-Wellenchef und verantwortlich für die Löschung, las aus dem rechtsextremen Milieu kommende Reaktionen vor — und tat so, als stammten sie von unbescholtenen WDR-2-Fans. Andere Teilnehmer*innen sagten, sie wollten die Veränderungen, die durch die Debatte angestoßen worden seien, nicht vorab torpedieren, indem sie Interna nach außen tragen. Eine Erkenntnis aus der Umweltsau-Angelegenheit: Bei Empörungswellen im Netz bräuchte es eine schnelle Auswertung der Daten. An qualifizierten Mitarbeitern dafür fehle es nicht, sagen ­Eingeweihte.

Die Umweltsau-Sache ist nicht das erste Beispiel dafür, dass es für die extreme Rechte kinderleicht ist, Einfluss auf den WDR zu nehmen. Im August 2018 löschte der WDR aus der Mediatheken-Fassung der ARD-Sendung »Live nach neun« kurzzeitig Bilder, in der das parodistische »Barista, Barista! Antifascista!«-T-Shirt eines Studiogasts zu sehen war. Ein fleißiger Fernsehgucker, der dem rechtsextremen Netzwerk »Ein Prozent für unser Land« angehört, mobilisierte daraufhin erfolgreich ein paar Kameraden für Proteste. Nach verspäteter Recherche machte der WDR die Löschung rückgängig.

Angesichts dessen, dass der Sender schon bei Lappalien einknickt, drängt sich eine Frage auf: Was passiert, wenn der WDR mal wirklich unter Druck gerät? Die Kampagnen gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk werden in den kommenden Monaten kaum nachlassen.