Zu idyllisch darf es auch nicht sein: Albrecht Koch

Von Trends befreit

Albrecht Koch bestreitet den Weg vom Fernseh-Autor zum Autoren-Pop

Dass mit 66 Jahren noch lange nicht Schluss ist, ist spätestens seit Udo Jürgens’ pfiffiger Ode an das Alter kein Geheimnis mehr. Der 1953 geborene Kölner Autor und Musiker Albrecht Koch scheint diesen 70er-Jahre-Schlager allerdings zu seinem Lebensmotto erkoren zu haben: Nach einer Karriere als Fernseh-Autor seit den 90er Jahren (u. a. »7 Tage, 7 Köpfe« und »Dittsche«), wurde er mit Anfang 50 erst mal mehrfacher Vater und startet nun — eigentlich im besten Rentenalter — noch einmal als Liedermacher durch. Mit »Unsinkbar« hat er jüngst ein Album veröffentlicht und liebevoll gestaltet, auf dem er sich mit grummelig-verlebter Stimme und flockig-frohlockenden Bossa-, Edelschlager- und ­Jazzpop-Arrangements als Chansonier souverän inszeniert. Wie es dazu kam, erzählt er im Interview.

Ist »Unsinkbar« tatsächlich dein spätes Debüt oder haben wir da all die Jahre etwas verpasst? Das ist schon ein Debüt. Ich gehöre im hohen Alter quasi zum Nachwuchs. Ich habe in den 80ern in Bands gespielt, zum Beispiel Ballhaus, bei denen ich auch Songwriter war, aber ich habe nie unter meinem Namen Musik gemacht. Die letzten 20 Jahre hab ich fürs Fernsehen gearbeitet. Erst in den Nullerjahren hab ich kapiert, was ich gerne machen würde und dass ich in meinen Songs Storys erzählen möchte. Da habe ich für mich ­meinen Weg gefunden. Ich bin jetzt nicht der große Sänger, aber das ist auch nicht nötig.

Wenn ich die Attitüde mit einem Wort zusammenfassen müsste, würde ich lakonisch sagen. Wenn man in einem Song eine ganze Geschichte erzählen möchte, hilft eine gewisse Lakonie, um so knapp wie möglich auf den Punkt zu kommen. Das ist für mich richtig Arbeit, auch wenn es großen Spaß bereitet. Zudem bin ich ziemlich reim-fixiert, allerdings dürfen es nicht allzu offensichtliche Reime sein.

War das eine bewusste Entscheidung, sich durch Geschichten von den eigenen Gefühlszuständen zu verabschieden, oder steckt in den Songfiguren auch ganz viel von dir? Es hat schon damit zu tun, dass ich eigentlich nicht über mich singen wollte, weil mein Leben nun nicht ganz so interessant ist — so dachte ich zumindest am Anfang. Letztlich sind das Rollenspiele: Bei dem Lied »Unsinkbar« schlüpfe ich zum Beispiel in die Rolle eines drittklassigen Handlungsreisenden, der in einem Bahnhofshotel versackt. Im Nachhinein entdecke ich oft, dass da auch was von mir drin steckt. Mir widerstrebt es aber, nur von mir selbst zu singen, da wiederholt sich so vieles. Ich möchte auch nicht immer witzig sein, mein Ideal ist es zu zeigen, wie die Welt ist, oder wie ich sie sehe. Einerseits schrecklich, andererseits aber auch total lustig, alles liegt ganz eng ­beieinander. Selbst mitten im Krieg gibt es lachende Kinder. Das interessiert mich.

Meistens geht es aber schon um die Banalitäten des Lebens? Unser Leben ist relativ banal, wir sind ja nicht in Syrien. In einem Lied habe ich sogar versucht, die Flüchtlingskrise zu bearbeiten, aber das geht nur, indem ich etwas einbaue, was ich kenne. Da liegt eine Frau in der Badewanne und träumt von einem weißen Kreuzfahrtschiff mit einem blonden Kapitän, in der zweiten Strophe treibt dann ein Flüchtling im Wasser. Das ist schon anmaßend, dass ich so etwas schreibe. Ich habe es aber trotzdem gemacht, weil ich mich damit auseinandersetzen wollte. Aber über die wirklich harten Sachen kann ich eigentlich nicht singen.

Musikalisch sind eine Songs angenehm trendbefreit. Ich höre viel alten Kram, 20er-Jahre Sachen, ­Hildegard Knef, französische Chansons. Die neuesten Sachen interessieren mich jetzt nicht so. Eigentlich möchte ich nicht der klassische alte Sack sein, der sagt: alles schon mal dagewesen — aber irgendwas ist da dann doch was dran. Ich sammel Meister und guck mir an: Wie haben die das gemacht. Zum Beispiel Shell Silverstein, ein Songwriter, der in den 70er und 80er Jahren unfassbar viele Hits für andere geschrieben hat.

Du betrachtest Popmusik nicht aus einem innovatorischen Blickwinkel heraus, sondern als eine Art Klassik, und nimmst historische Versatzstücke, die für dich funktionieren und bastelst dir daraus deine Welt? Ja, ich mochte immer sehr gerne Cool Jazz und Bossa Nova und die damit verbundenen Harmonien. Leider habe ich einen Hang zu vielen Akkorden, damit mache ich mir selber das Leben schwer, das muss ich ja auch alles live spielen. Genial finde ich etwa »La Paloma«, das sind nur zwei Akkorde, aber die Melodie kann jeder nachsingen.

Korrespondiert dein Ansatz, Geschichten zu erzählen, mit deiner Arbeit fürs Fernsehen? Du bist auch immer noch Autor für »Dittsche«... Olli Dittrich hat ja immer erzählt, dass das alles spontan sein, was natürlich Quatsch ist. Geschichten erzählen, das war so mein Brotberuf, das hat wahrscheinlich schon etwas damit zu tun, das ist jetzt kein Bruch. Für mich war das aber eine Entdeckung, denn ich wusste zuvor nicht, worüber ich singen könnte.

Die Platte ist geprägt von kleinen Zupfinstrumenten wie Banjo, Ukulele und Mandoline. Ist das dein musikalisches Steckenpferd? Das hat sich so entwickelt. Früher hatte ich ganz viele Synthesizer, da ich aber nur unregelmäßig Zeit zum Musikmachen hatte, musste ich mir jedes Mal wieder von neuem die Bedienungsanleitung durchlesen, ich bin verrückt geworden auf der Suche nach dem perfekten Sound und hab mich total verzettelt. Dann habe ich mich darauf besinnt, dass ich früher ja auch in Bands mit Gitarre, Bass und Schlagzeug gespielt habe. Also raus mit dem ganzen Scheiß, nur noch die Instrumente, die ich gern habe.

 

Tonträger: »Unsinkbar« hat Albrecht Koch selbst herausgebracht, albrecht-koch.de