Erinnerungskultur auf Türkisch: »Heroes« von Köken Ergun

Kinogrätsche des Glücks

Tüpisch türkisch begibt sich auf einen osmanisch-griechischen Grenzgang

Filmreihen und -festivals, die sich bestimmten Themen oder Ländern widmen, scheitern gerne daran, dass es am Ende mehr um die Vermittlung von Inhalten (oder bloß Ansichten) geht als ums Kino als eine Populärkunst, durch die sich bestens über alle Fragen des Politischen intelligent nachdenken lässt. Was Tüpisch türkisch zu einer derart angenehmen Erscheinung gerade der hiesigen Festivalkultur macht, ist, dass sie es immer blendend verstanden haben, solch einer Monokultur ein vielgestaltiges Programm entgegenzustellen.

Im Februar offeriert die Reihe eine Kinogrätsche des Glücks mit zwei Filmen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: Costas Ferris’ »Rembetiko« (1983) und »Heroes« (2019) des Künstlers und Filmemachers Köken Ergun. Nebeneinander zeigen sie aufs Feinste, was Kino ist, wenn man es ernst nimmt. »Rembetiko« ist ein Meisterwerk brachialer, mit leichten Surrealismen unterschnittener Filmpoesie. Der mit einem Silbernen Bären ausgezeichnete Film besitzt Überschwang, den Sinn für die ganz große Geste, aber auch diese ganz grundsätzliche Bodenhaftung (vulgo: Realismus), welche dafür sorgt, dass die Lebensgeschichte der Rembetiko-Sängerin Marika Ninou nie ins rein Künstlerisch-Geschmackvolle abrutscht. Das wirkt heute, wo man solche Emphase nicht mehr gewöhnt ist, noch nötiger als je zuvor.

Was das mit der Türkei zu tun hat? Rembetiko ging aus der Verbindung griechischer Volksmusik mit osmanischen Musiktraditionen hervor. Und Ninou wurde 1922 in Smyrna (heute İzmir) geboren, in einer Zeit also, als die Stadt noch eine kosmopolitische Vielvölkermetropole war — aus welcher Ninou mit ihrer Familie im Gefolge des Griechisch-Türkischen Krieges deportiert wurde. Dieser von Massakern gezeichnete bewaffnete Konflikt war wiederum Teil des Türkischen Befreiungskriegs zu dessen Auslösern die Schlacht von Gallipoli 1915–16 gehörte. Köken Erguns wie üblich grob, doch geschickt gezimmerter Dokumentarfilm »Heroes« schaut sich ebenso interessiert wie distanziert an, wie es zum 100. Jahrestag auf dem einstigen Schlachtfeld, auf den ­Soldatenfriedhöfen und an den Ehrenmalen so zuging — wer da was erinnert, und wie und warum.

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