Bedrohte Idylle: Valerie Pachner, August Diehl

Ein verborgenes Leben

Feiert Terrence Malicks neuer Film politische Integrität oder christliches Sendungsbewusstsein?

 

Pro

Der Landwirt Franz Jägerstätter lehnte die Nazis ab: Allen voran den Krieg, welchen sie führten, aber auch vieles, was sie veranlassten, etwa ihre als Euthanasie euphemisierten Morde. All dies ging gegen seinen katholischen Glauben, den er als junger Minenarbeiter fast verloren hatte, dann aber auch durch das Vorbild seiner Gattin Franziska wiederfand. Aus seinem Widerwillen machte er keinen Hehl, verweigerte zudem die Mitarbeit an allem, was den Nazistaat stützte. Allerdings machte er um seinen Dissens kein Aufheben, auch wenn er zu einem Politikum wurde, zuerst in seinem Heimatort St. Radegund, dann innerhalb des Klerus des Gau Oberdonau, wie Oberösterreich nach dem reichsdeutschen Einmarsch hieß. Am Ende wurde Jägerstätter zum Tode verurteilt und am 9.8.1943 enthauptet.

Terrence Malicks Film über Jägerstätter sollte ursprünglich »Radegund« heißen, er verschiebt also den Fokus vom Kollektiv, den Einwohnern der Gemeinde, hin zum Individuum. Jägerstätters Mitmenschen verachten und hassen ihn, und lassen ihn und seine Familie das spüren, oft handgemein, brutal — wie die Ideologie, der Staat, dem sie sich so andienen, auf dass ihnen nur nichts geschehe. Sie haben Angst, aber sie finden auch vieles, was die Nazis tun, recht und billig. Selten wurde derart klar gezeigt, was das ist: Mitläufertum — frei von allen Entschuldigungen. Im gleichen Maße, wie Jägerstätter sich für seinen Glauben und dessen Prinzipien entschied, so entschieden sie sich für die Nazis. Ganz einfach. So wie auch Jägerstätters Entscheidung eine einfache ist: Er folgt weiter den ethischen Prinzipien, die er bislang für richtig hielt, und welche die Grundlage sind für unser aller Verständnis von Menschlichkeit.

»Ein verborgenes Leben« ist ein zutiefst religiöser, um nicht zu sagen: gläubiger Film — Franz Jägerstätters Leben und Sterben werden mit vielen Parallelen zur Passionsgeschichte erzählt, muten bisweilen an wie eine Geschichte über die Wiederkehr Christi. Und wenn man liest, dass Terrence Malicks nächstes Projekt »The Last Planet« ein Bibelfilm werden soll, dann wirkt »Ein verborgenes Leben« wie eine Skizze dafür. Viel wichtiger ist aber, dass es ein ­eminent politischer Film ist — indem er Integrität als zentrale mensch­liche Haltung, als Kern jeder lebendigen Gemeinschaft feiert und vor Augen führt.

 

 

 

 

Kontra

Terrence Malick, Schöpfer so großartiger, in tausend Facetten schillernder existentieller Filmepen wie »Badlands«, »The Thin Red Line« und »The Tree of Life«, hat diesmal einen überraschend eindeutigen, ja eindimensionalen Film gedreht. Und dieser Film wird kein bisschen besser, weil Malick vom widerständigen österreichischen Bauern Franz Jägerstätter erzählt, der 1943 in Berlin wegen »Wehrkraftzer­setzung« hingerichtet und 2007 von der katholischen Kirche selig gesprochen wurde.

Malick ist ein großartiger Filmemacher, ein Solitär des Kinos, der inzwischen fast sein eigenes Genre ausgebildet hat, und dafür zu Recht gefeiert wurde. Aber alle Vorwürfe, die man Malick früher immer zu Unrecht gemacht hat, treffen auf diesen Film zu: »Ein verborgenes Leben« ist kitschig, ist sehr wichtigtuerisch und trägt unglaublich schwer an der eigenen Bedeutung, er ist vor allem erstaunlich konventionell.

Das Leben der Bauern zeigt Malick in einer sonnenscheinerleuchteten Blut-und-Boden- und Heimatfilm-Ästhetik: idyllische Bilder der Natur- und Bauernverklärung. Feine Schauspielerhände wühlen im Matsch, streifen poetisierend übers Gras, fassen Sensen an, und säbeln die Ähren nieder. Man tanzt und lächelt, senst und pflügt. Die Sonne scheint, der Esel schleppt. Das Leben auf dem Land ist offenbar ziemlich lustig, denn Erwachsene spritzen sich hier mit Wasser nass, spielen mit Kindern Blindekuh. Dazu Matthäuspassion und Arvo Pärt aus dem Off. Wenn die Nazis mal wieder von sich hören lassen, schickt Gott ein Gewitter oder Wolken und Sturm, damit wir auch wissen, was Sache ist. Irgendwann schneidet Malick dann Eva Brauns Super-8-Farbfilme hinein: Obersalzberg, Hitler mit Kindern. Hitler mit Ribbentrop. Wozu das alles?

Und wenn man sich selbst erklären möchte, was einen an diesem Film alles stört, und warum einen von Anfang an ein gewisser Widerwille ergreift, während der lange, ruhige Fluss dieser Geschichte, die Chronik eines angekündigten Todes, langsam Fahrt aufnimmt, dann liegt es vielleicht daran, dass es gar nicht um Religiosität geht, sondern eher um eine bestimmte Weltfremdheit, und um Opferstolz, um die Arroganz dessen, der sich eins mit einem höheren Wesen und einer tieferen Wahrheit glaubt, und der deswegen einen Weg gegen alle anderen zu Ende geht.

August Diehls immer etwas zu weltferne Jägerstätter-Figur wirkt wie ein schlafwandelnder Moral-Zombie, einer, der von einem vagen Trieb geleitet wird, über den er nicht frei verfügt. Allzu fremd bleibt einem vor allem dieser leidende Christ, der in Malicks Darstellung manch heutigem Fundamentalisten zum Verwechseln ähnelt.

(A Hidden Life) USA/D 2019, R: Terrence Malick, D: August Diehl, Valerie Pachner, Maria Simon, 116 Min.