Schwierige Heimreise: Die Filmemacherin mit ihrer Mutter

»In Search…«

Beryl Magokos Dokumentarfilm erzählt sehr

persönlich über weibliche Genitalverstümmelung

Der körperliche Schmerz sei unaussprechlich, der emotionale Schmerz intensiv und unerwartet. »Das ist genau der Grund, warum sie Mädchen beschneiden: Weil sie die zukünftigen Frauen beherrschen wollen.« Diesen klarsichtigen Satz sagt die Buchautorin und Politikerin Assita Kanko im Gespräch mit Dokumentarfilmerin Beryl Magoko. Die weibliche Geschlechtsverstümmelung (FGM/C: female genital mutilation/cutting) ist bis heute Tradition in mehreren afrikanischen Ländern und damit Teil einer Kultur, die die weibliche Sexualität nachgerade vernichtet.

Beryl Magoko ging mit elf Jahren ohne körperlichen Zwang zur Beschneidung — eine von ihrem Umfeld beeinflusste Entscheidung, die sie heute in vielerlei Hinsicht quält. Heute lebt die Absolventin der Kölner Kunsthochschule für Medien in Bonn, der Film »In Search …« dokumentiert ihre titelgebende Suche nach Antworten: Warum hat niemand vorher darüber gesprochen, wie schmerzhaft es ist? Warum hat ihre Mutter sie nicht davon abgehalten? Und soll sie die Möglichkeit einer rekonstruierenden Operation wahrnehmen — also wieder jemanden mit scharfen Objekten in ihren Genitalbereich lassen?

Begleitet von der Kamerafrau Jule Katinka Cramer spricht Magoko mit anderen Frauen, die von ihren Erfahrungen mit FGM/C berichten; manche davon haben bereits eine Rekonstruktion vornehmen lassen. Sie sucht Ärzte und Ärztinnen in Deutschland und Kenia auf, lässt sich untersuchen und medizinisch beraten. Alle diese Gespräche fallen Magoko jedoch sichtbar leichter als die Auseinandersetzung mit ihrer Mutter über ihre damalige Entscheidung und deren Folgen in der Gegenwart. In den Sequenzen, die die Filmemacherin bei ihrer Familie im heimatlichen Dorf zeigen, wird das Tabu förmlich spürbar, das ihre Kultur um die weiblichen Genitalien und deren Beschneidung geschaffen hat. Mit bewundernswertem Mut gelingt es Magoko immer wieder, dieses Tabu — das auch in der europäischen Kultur besteht — und die eigenen inneren Widerstände zu überwinden. Damit gewährt sie ausgesprochen berührende Einblicke in das Leben nach FGM/C.

Schmerz, Trauma, Angst, Unwissenheit, die Möglichkeit oder Unmöglichkeit von erfüllter Sexualität, auch Schuld und Scham — alle diese Themen ziehen sich durch Magokos Film. »In Search…« zeigt mit seiner persönlichen Herangehensweise an das gesellschaftliche Phänomen, dass die Praxis der FGM/C nicht nur ein folgenreicher Eingriff in den Körper der Mädchen ist. Der Schnitt geht tiefer, in ihre Identität als Frauen, und beraubt auch die Gesellschaft, die von dieser Verletzung und Verdrängung geprägt ist.

(dto) D 2019, R: Beryl Magoko, 90 Min.