Nazi-Zombies und Plastikpimmel: »Die Verdammten« im Schauspiel Köln

Braunes Schnee­gestöber

Ersan Mondtag zeigt Viscontis »Die Verdammten« als düsteres Gruselkabinett

Manchmal lockt nicht nur die Geschichte, sondern auch der Mensch, der sie erzählt. Ersan Mondtag, einer der zur Zeit angesagtesten Regisseure im deutschen Theater, kehrt an das Kölner Schauspiel zurück: mit einer Inszenierung von Luchino Viscontis Historienfilm »Die Verdammten« von 1969. Die wurde — anders als seine Gastproduktion von Schillers Räubern im vergangenen Jahr — zwar nicht mit Buh-Rufen aus dem Publikum quittiert, doch das Parkett war am Ende dieser Vorstellung etwas leerer.

Einige Zuschauer hatten den Saal frühzeitig verlassen. Vielleicht, weil sie nicht ertragen wollten, was Mondtag auf der Bühne im Depot 1 wagte: Den Missbrauch des jüdischen Mädchens darzustellen, und zwar mit einem leibhaftigen, echten Kind (Fiona Angelo). In der Geschichte über den Zerfall der Industriellen-Familie von Essenbeck, die mit den Nazis kollaboriert und sich durch politische Intrigen zugrunde richtet, ist dies eigentlich nur ein weiterer Erzählstrang. Doch Mondtag wird explizit: Vor der bildgewaltigen Kulisse des Familienanwesens — das Porträt von Baby-Hitler im Großformat über der langen Tafel — würgt Martin von Essenbeck (Ines Marie Westernströer) die kleine Unschuld im Schlafanzug und SS-Offizier Aschenbach (Nicolas Lehni) räumt sie schließlich mit einem gezielten Schuss in den Rücken aus dem Weg.

»Theater ist Ausnahmezustand«, sagte Ersan Mondtag einmal. Tatsächlich fügt sich die raue Brutalität nahtlos ein, in das mit Schulterpolstern und obszönen Plastikpimmeln ausgestattete Gruselkabinett der von Essenbecks, kurzum: in Mondtags Handschrift der Verstörung. Von der Decke der Winterlandschaft schneit es ohne Unterlass, silbrig scheint der Mond durch die Tannenwipfel, ein Chor aus deformierten Nazi-Zombies versinnbildlicht die Hässlichkeit von Hass.

Angesichts dieser fast filmischen Atmosphäre ist man wieder einmal geneigt, Mondtags Ästhetik mit der von David Lynch oder Tim Burton zu vergleichen. Doch »Die Verdammten« ist kein Splatterstreifen und auch kein Fantasyfilm, sondern eine durch und durch deutsche Geschichte. Dass Viscontis erster Teil der »Deutschland-Triologie« noch heute regelmäßig auf der Bühne gezeigt wird, dürfte Hoffnung machen, dass zumindest eines der Schnee im Schauspiel nicht unter sich zu begraben vermag: Die Verantwortung, dass all die von Essenbecks, Krupps und Thyssens dieses Landes, sich zu ihrer braunen Vergangenheit bekennen.