Köln, Blicke: Reiterdenkmal am Heumarkt | Foto: Manfred Wegener

Liebe auf Distanz

Zwei neue Überblickswerke pflegen einen idiosynkratischen Blick auf Köln

Das Schreiben über Köln ist von Klischees dominiert: dreckig sei die Stadt, verklüngelt und dann erst noch das Bier...puh. FAZ-Leser*innen hatten da etwas mehr Glück, für sie hat Andreas Rossmann aus Köln berichtet. Bis 2017 war er der Kulturkorrespondent der Zeitung für das gesamte Bundes­land NRW. Seine Basis aber war in Köln. Rossmann schrieb aus der Perspektive des teilnehmenden Beobachters: ein Kölner, der nicht kölsch sein wollte und gerade deshalb nicht viel für die Klischees übrig hatte, die Köln gerne über sich selbst erzählt.

Das zeigt er auch in »Das kann nur Köln sein«, einer Sammlung von Texten, die zwischen 1993 und 2018 hauptsächlich für die FAZ entstanden sind. Konzipiert ist das Buch als Glossar von A-Z, aber wie jedes vorgeblich neutral strukturierte Dokument verrät es etwas über seine Entstehungs­zeit, die große Zeit der Kölner Kulturdesaster. Sowohl dem Archiveinsturz als auch der Sanierung von Schauspielhaus und Oper widmet Rossmann mehrere Einträge, immer gehalten im präzisen Plauderton. In diesem schreibt er über die Kölner Offizialkultur aus Dom, Bühnen und Nach­kriegs­moderne wie auch über die interessanteren Orte unserer Stadt: eine Inszenierung von »Carmen« durch Walter Bockmayer in der Altstadt oder einen architektonisch interessanten Aldi-Supermarkt in Ossendorf. Die Fotos von Ex-Stadtrevue-Fotograf Manfred Wegener verstärken diesen Eindruck noch. Er zeigt Baustellen, Gerüste, das Unfertige. Köln ist gerade dann faszinierend, wenn man es mit etwas innerem Abstand durchquert.

Das Autor*innenkollektiv A.P. Petermann ist dagegen der Liebe zu einem Veedel erlegen. Objekt ihrer Begierde ist Nippes, diese Mischung aus alteingessenem Kölschtum, migrantischen Communities und Familien­freund­lich­keit nördlich der Innenstadt. A.P. Petermann lieben diesen nachweislich langweiligsten aller halbwegs hippen Kölner Stadtteile besonders wegen seiner Skurrilitäten. Eine Frau glaubt, in den Brom­beeren an der Linie 13 den Knochenkalk der Toten des zweiten Weltkriegs zu schmecken; der mittlerweile verstorbene Maler Konstantin wohnte am Baudriplatz in einem Zelt und war ein Fundus kunst­historischen Wissens. Und die nur drei Hausnummern lange Nettel­beck­straße wird zum Parcours für das gemütliche Schlendern, das so perfekt zu diesem Stadtteil passen könnte, wenn er nicht durch die Hipness-Träume der bourgeoisen Bohème immer wieder etwas anstrengend würde. Make Nippes weird again!

Andreas Rossmann: »Das kann nur Köln sein. Ein Glossar«
Verlag Walther König, 280 S., 18 Euro

A. P. Petermann: »Nippes Alphabet«
Parasitenpresse, 32 S., 8 Euro