Besserung kaum in Sicht: Lehrkräfte in Köln

Voller Fehlstundenplan

In Köln mangelt es noch mehr an Lehrern als im NRW-Durchschnitt. Wie kann das sein?

Eigentlich müsste Köln doch attraktiv sein für junge Lehrerinnen und Lehrer, als größte Stadt in Nordrhein-Westfalen. Doch dem ist nicht so — an den Kölner Schulen herrscht sogar ein größerer Lehrermangel als etwa in Paderborn oder im Landkreis Kleve. So lag der Versorgungsgrad an den Kölner Realschulen zu Beginn des Schuljahres 2018/2019 um 5 Prozent niedriger als an vergleichbaren Schulen in NRW, an den Gymnasien waren es 3,5 Prozent weniger. Das zeigen Daten, die das Recherchezentrum Correctiv der Stadtrevue zur Verfügung gestellt hat. Am Ende dieses Textes können Sie sehen, wie die Schule Ihrer Kinder im Vergleich abschneidet.

Auch an Kölner Haupt- und Gesamtschulen fehlten mehr Lehrkräfte als im NRW-Schnitt; lediglich bei Grundschulen (0,4 Prozent mehr) und Förder­schulen (9,2 Prozent mehr) hat Köln die besseren Quoten. Gleich­zeitig gibt es starke Unterschiede zwischen den einzelnen Schulen in Köln: Während etwa die städtische Grundschule an der Antwerpener Straße im Belgischen Viertel mit einer Personalausstattungsquote von 115,4 Prozent auch gegen Ausfälle wegen Krankheit oder Elternzeiten gut gewappnet ist, sind an der Grundschule an der Hauptstraße in Porz gerade mal 85 Prozent der Stellen besetzt.

Großer Mangel im Rechtsrheinischen

»Im Rechtsrheinischen ist der Mangel besonders groß«, sagt Jochen Ott, schulpolitischer Sprecher der SPD im Landtag und ehemaliger Lehrer. Vor anderthalb Jahren schrieben ihm drei Grundschulleiter aus Neubrück, Ostheim und Vingst einen Brandbrief, weil sie kein Personal bekamen und den verbleibenden Kollegen der Burnout drohe. »Junge Lehrer kommen oft aus bürgerlichen Schichten, die bewerben sich gar nicht erst an Schulen, wo 80 oder 90 Prozent der Eltern Hartz IV beziehen.«

Das NRW-Bildungsministerium unter Ministerin Yvonne Gebauer (FDP) entwickelt zurzeit einen Sozialindex für alle Schulen im Land; er soll Mitte des Jahres fertig sein. Lehrer sollen dann mit einer Art Sonderzulage an Brennpunktschulen gelockt werden. Ott hält die Maßnahme für gut, wenn sie auch für bestehende Lehrkräfte an den Schulen gelte. Aber man solle für diese Schulen generell mehr Personal einplanen als etwa für Gymnasien in Lindenthal. »Das können im Rahmen eines schulscharfen Sozialindex auch multiprofessionelle Teams mit Heilpädagogen und Psychologen sein«, so Ott. Von der FDP-Ministerin, die ohnehin stark auf Quer- und Seiteneinsteiger setzt, fordert der SPD-Politiker noch mehr Flexibilität: Fachfremde oder Fachleute, die nur ein Fach studiert haben, sollen nicht mehr nur als Vertretungs­lehrer eingestellt werden dürfen, »vorausgesetzt, sie werden gut geschult, und zwar bevor sie zum ersten Mal vor die Klasse treten.«

Fachfremde Lehrkräfte

Dabei geht an den Schulen ohne Flexibilität schon heute nichts mehr. Aus einer Kleinen Anfrage der SPD im Landtag geht hervor, dass im Regierungs­bezirk Köln im Schuljahr 2018/2019 in der Sekundarstufe 1 fast die Hälfte aller Lehrer fachfremd eingesetzt wurden. Besonders eklatant waren die Zahlen an den Haupt-, Gesamt- und Realschulen. Schon jetzt werden Schulstunden wegen des Lehrermangels zu »eigen­verant­wort­lichem Lernen« deklariert, Grundschulkinder auf andere Klassen aufgeteilt oder Mathematik- durch Bastelstunden ersetzt. Seit 2014 aber steigen die Geburtenzahlen in Köln rasant; die Stadt wächst und braucht in den nächsten Jahren mehr als 40 neue Schulen. Wo sollen dann erst all die Lehrer herkommen? »Das Problem ist so groß — wir können es nur lösen, wenn wir alles machen: Quereinstieg erleichtern, Sonder­zulagen, mehr Studienplätze, Öffnung zum Ganztag«, so Ott.

Besonders groß ist der Mangel an Grundschulen, das gilt in Köln ebenso wie im Rest des Landes. Isabell Gödde-Werth von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft beobachtet, dass manche Maßnahmen der Landesregierung bisher noch wenig Wirkung gezeigt hätten, etwa die Sonderzulage für Lehrkräfte an Brennpunktschulen. »Eine Stelle muss erst zweimal vergeblich ausgeschrieben worden sein, bis sie nach dem Sondertarif bezahlt werden kann.« Darauf können sich aber auch nur »grundständig ausgebildete« Lehrkräfte bewerben, also etwa keine Seiteneinsteiger, die »nur« eine Qualifikation für Nebenfächer wie Sport, Englisch oder Musik haben. Diese aber machen an den unbeliebten Schulen einen immer größeren Anteil der Lehrer aus. »Viele Seiten­einsteiger sind hochmotiviert und qualifizieren sich aus eigenem Antrieb weiter. Aber der Frust ist groß, weil sie viel schlechter bezahlt werden und keine Möglichkeit zum Aufstieg haben«, so Gödde-Werth, die selbst als Lehrerin arbeitet und Grundschullehrer ausbildet.

Seiteneinsteiger und Nicht-Erfüller

Neben den Seiteneinsteigern gibt es an Grundschulen immer mehr »Nicht-Erfüller«, also Studierende oder Pensionäre, die stundenweise in Zeit­verträgen Lehrer vertreten — aber auch Menschen ohne jegliche Ausbildung, die in manchen Fällen sogar direkt eine Klasse leiten. Während dies früher die Ausnahme gewesen sei, habe sich das Verhältnis heute umgedreht, so Gödde-Werth: Inzwischen seien die Studierenden und Pensionäre bei den Zeitverträgen deutlich in der Unterzahl.

Gegen den Lehrermangel kann die Stadt Köln nicht viel tun; das ist Aufgabe des Landes und der Bezirksregierung. Welche Schulformen in Köln angeboten werden, entscheidet die Stadt — und verfehlt hier seit 15 Jahren den Elternwillen: Es gibt viel zu wenig Gesamtschulplätze. Beinahe jedes dritte Kind wurde dieses Jahr an den Gesamtschulen abgelehnt. Auch für die Schulbau-Misere ist die Stadt verantwortlich: Generationen von Schülern werden in Containern unterrichtet, die Mehrzahl der Gebäude ist marode, Neubauten verzögern sich um Jahre oder gar Jahrzehnte. Selbst wenn mehr Lehrer zur Verfügung stünden — es gäbe im Moment gar nicht den Platz für mehr oder gar kleinere Klassen. Jochen Ott sagt: »Kein Wunder, wenn sich Berufsanfänger bei solchen Zuständen lieber im Umland als in Köln bewerben.«

Lehrermangel an Kölner Schulen
Lehrermangel im Vergleich der Schulformen in NRW (nach Landkreisen und Städten):

Die Daten stammen aus Kleinen Anfragen der SPD-Fraktion im NRW-Landtag und beziehen sich auf das Schuljahr 2018/2019.

­Kooperation mit ­Correctiv

Diese Recherche ist Teil einer ­Kooperation der Stadtrevue mit ­Correctiv.Lokal, einem Netzwerk für Lokaljournalismus, das datengetriebene und inves­tigative Recherchen gemeinsam mit Lokalpartnern umsetzt. ­Correctiv.Lokal ist Teil des gemein­nützigen Recherchezentrums ­Correctiv, das sich durch Spenden von Bürgern und Stiftungen finanziert. Weitere Infos auf correctiv.org