Der Kölnische Patient – Was wird aus den Kliniken?

Die Zukunft der städtischen Kliniken ist unsicher. Seit Jahren sind sie ein Sanierungsfall. Das schwarz-grüne Ratsbündnis möchte sie gerne mit der Uniklinik fusionieren. Aber das ambitionierte Vorhaben ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Philipp Haaser und Christian Werthschulte haben sich im Klinikum, der Kölner Politik und unter Experten umgehört, welche Folgen ein Klinikverbund haben könnte.

Henriette Reker ist eine bescheidene Oberbürgermeisterin. Sie benennt Fehler, sie warnt vor Übermut, mahnt Realismus an. Aber bei einer Sache kann auch sie sich nicht zurückhalten: dem geplanten Verbund aus Universitätsklinikum und den drei städtischen Kliniken, den ihr schwarz-grünes Ratsbündnis im November des vergangenen Jahres auf den Weg gebracht hat. Von einer »Charité des Westens« spricht sie dann, als würden die Zweckbauten in Merheim und Holweide, an der Amsterdamer Straße und in Lindenthal irgendwann einmal so mythisch werden wie das Berliner Krankenhaus mit seiner über 300-jährigen Geschichte. Dann träumen sie und ihr Ratsbündnis von einem Cluster an Biotech-Startups, das sich rund um eine einmalige Forschungslandschaft gruppiert, als läge Köln in Kalifornien und nicht im Rheinland.

Die Realität ist profaner. Die drei städtischen Kliniken — die beiden Krankenhäuser in Merheim und Holweide sowie die Kinderklinik an der Amsterdamer Straße — sind Sanierungsfälle. Erst im Februar musste die Stadt Köln ihnen mit einem Kredit über 10 Millionen Euro aushelfen. Es ist nicht das erste Mal. Gründe dafür gibt es viele. 2017 wurde der Geschäftsführer der Kliniken wegen Missmanagements entlassen. Der 2012 eröffnete Neubau in Merheim hat das Budget stärker als geplant belastet. Das Land NRW hatte die Förderbedingungen geändert, so dass die Kliniken das Haus auf dem freien Markt finanzieren mussten — für 76 Millionen Euro. »Die jährliche Belastung für die Kliniken durch Zinsen und Tilgung beträgt fünf bis sechs Millionen Euro«, erklärt Thomas Stiefelhagen, von Beruf Anästhesiefachpfleger und stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrats der städtischen Kliniken. 2015 führte eine neue Software dazu, dass die Kliniken zwischenzeitlich keine Leistungen mehr mit den Krankenkassen abrechnen und die Rückstände jahrelang nicht vollständig eintreiben konnten. Seitdem flossen 200 Millionen Euro aus dem Haushalt an die Schuldner der Kliniken, um Kredite abzulösen. In dieser Situation erscheint eine Zusammenlegung mit dem Universitätsklinikum, das dem Land Nordrhein-Westfalen gehört, attraktiv. »Das Land unterstützt das Universitätsklinikum mit hohen Zuschüssen«, sagt Thomas Stiefelhagen. Sowohl das Klinikum in Merheim wie die Uniklinik sind Maximalversorger und bieten hochspezialisierte medizinische Leistungen. Aber nur die Uniklinik schreibt schwarze Zahlen. Spätestens seit 2018 lotet die Stadt aus, ob die Uniklinik an einem Kauf interessiert wäre. Anfang September 2019 legte die Verwaltung von Oberbürgermeisterin Henriette Reker einen konkreten Vorschlag zur möglichen künftigen Struktur eines neuen Klinikverbunds vor. Im November wurde er vom Stadtrat verabschiedet — gegen die Stimmen von SPD und Linke.

Uniklinik und städtische Krankenhäuser sollen demnach in einem »Universitären Gesundheitscluster« zusammengeführt werden. Stadt und Land würden eine gemeinsame Stiftung ins Leben rufen, in welcher die strategischen Ziele sowie die Gesundheitsversorgung im Einzugsgebiet der Kliniken geplant werden. Die städtischen Kliniken werden von einer GmbH in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführt — damit wären sie formell der Uniklinik gleichgestellt und könnten auch Geld vom Land erhalten. Aber im Alltag soll die Universitätsklinik die Führung der Geschäfte übernehmen. »Die Stadt gibt ohne Not die Kontrolle über ihre Kliniken her«, sagt Michael Paetzold, SPD-Ratsmitglied, Vorsitzender des Klinikenaufsichtsrats und niedergelassener Arzt. Es dürfe bei der Entscheidung über die Zukunft der finanziell angeschlagenen Kliniken »nicht nur ums Geld gehen«. Auf den Altschulden der Kliniken wird die Stadt sitzen bleiben, so sehen es die Pläne vor. Die Grünen wünschen sich aber, dass die Uniklinik und damit das Land die wirtschaftlichen Risiken, die ab dem Zeitpunkt der Fusion entstehen, übernimmt. Dann sei auch gerechtfertigt, dass die Uniklinik das operative Geschäft verantworte. Die Stadt solle sich nur in dem Umfang beteiligen, der für eine Sanierung der finanziell maroden städtischen Kliniken nötig sei. Wie das genau abgegrenzt werden soll, ist in dem Beschluss, der als Verhandlungsauftrag gemeint ist, nicht festgehalten.

Forschen und Wünschen

Welches Interesse hat aber die Uniklinik daran, die maroden Kliniken zu übernehmen? »Es geht um die Forschung«, sagt Michael Krakau, stellvertretender Vorsitzender des Marburger Bunds NRW/RLP. Er ist Facharzt für Innere und Intensivmedizin am Klinikum Holweide. »Medizin wird zunehmend personalisiert, also benötigt man eine größere Anzahl an Probanden als früher.« Die 1500 Betten große Uniklinik würde nach einer Fusion mit den 1395 Betten der städtischen Kliniken fast doppelt so groß sein. Interessant ist dies etwa im Feld der Lungenkrebsforschung, wie der Onkologe Michael Hallek von der Uniklinik im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger erklärt hat. In Merheim gebe es eine starke Thoraxchirurgie, die Uniklinik sei in der Forschung an Lungenkarzinomen weit vorne. »Früher ging man von zwei verschiedenen Arten von Lungenkarzinomen aus«, erläutert Michael Krakau vom Klinikum Holweide. »Heute unterscheidet man dreißig Arten.« Für jede Art müsse man nun eigene Studien durchführen, wofür man wiederum eine größere Anzahl an Probanden mit vielfältigeren Krankheitsbildern benötigt, damit eine wissenschaftliche Studie auch aussagekräftig werden kann.

Der Wissenschaftsrat, eine Einrichtung, die die Bundes- und Länderregierungen zur Hochschul- und Forschungspolitik berät, warnt die Uniklinik dagegen vor den finanziellen Folgen. Der Rat hatte im Herbst die Entwicklung der medizinischen Fakultät der Kölner Universität bewertet. Die städtischen Kliniken haben im Geschäftsjahr 2018 einen Verlust von 40 Millionen Euro gemacht, die Uniklinik einen Gewinn von 1,15 Millionen. Das städtische Gutachten über den Klinikverbund geht von jährlich 5,4 Millionen Euro an Einsparungen aus, die sich durch Synergieeffekte etwa beim Einkauf von Arzneimitteln ergeben. Gleichzeitig rechnen die Gutachter mit einem zusätzlichen »Erlöspotenzial« von 11,3 Millionen Euro pro Jahr im medizinischen Bereich. Aber das ist weit davon entfernt, das Defizit auszugleichen, dass die städtischen Kliniken im Moment einfahren.

»Wie dieses Defizit beseitigt werden soll und auf wessen Kosten, ist mit einer Fusion nicht beantwortet«, sagt Achim Teusch. Er hat lange als Anästhesist in einer Klinik in Siegburg gearbeitet und gibt nun für die Gewerkschaft Verdi Seminare zur Gesundheitspolitik. Klinikfusionen gelten im Moment als Allheilmittel für Probleme im Krankenhauswesen. Die Bertelsmann-Stiftung veröffentlichte im vergangenen Sommer eine Studie zum Thema, die von einer ARD-Dokumentation flankiert wurde. Darin schlagen die Autoren vor, die Anzahl der Krankenhäuser in Köln auf vier zu reduzieren. »Um zu dem Ergebnis zu kommen, hat die Bertelsmann-Stiftung sehr selektiv auf Köln geschaut.« So werde in der Studie etwa behauptet, dass in Köln viele Herzinfarkt-Patienten in Krankenhäusern behandelt würden, die dafür nicht adäquat seien. Dabei existiere in Köln ein Netzwerk für die Behandlung von Herzinfarktpatienten, das genau den Richtlinien der deutschen Fachgesellschaft für Kardiologie entspreche. »Kliniken zu fusionieren und eine Krankenhausregion weiter­zuentwickeln, mag durchaus sinnvoll sein«, sagt Teusch. »Aber das muss regional und demokratisch entschieden werden — unter Einbeziehung aller Beteiligten.«

Grundsätzlich hätten Kliniken zwei Möglichkeiten, Geld zu sparen, erläutert Teusch: Sie könnten beim Personal sparen oder mehr hochwertige Operationen durchführen. Die Krankenkassen legen für letztere einen Schlüssel zugrunde, die sogenannten Bewertungsrelationen. »Eine einfache Operation, zum Beispiel an der Leiste, hat eine Bewertungsrelation von eins, erzeugt also etwa 3500 Euro Umsatz«, erläutert der pensionierte Arzt. »Für komplizierte Operationen, etwa am Herzen, greift eine Bewertungsrelation von fünf bis sechs.« Um ein Defizit von 40 Millionen Euro auszugleichen, müssten die Kliniken also rund 11.500 zusätzliche Bewertungsrelationen erzeugen — bei gleichbleibenden Personalkosten, also ohne zusätz­liche Ärzte und Pfleger. »Nur zum Vergleich: Ich habe in einer mittelgroßen Klinik im Rhein-Sieg-Kreis gearbeitet. Dort hatten wir insgesamt etwa 24.000 Bewertungsrela­tionen im Jahr«, sagt Teusch.

Jörg Detjen, Ratsmitglied der Linken, fordert deshalb mehr Ehrlichkeit in der Debatte: »Wir werden langfristig viel Geld in die Hand nehmen müssen, um die Kliniken fortzuführen.« Grünen-Politiker Ralf Unna, der im Aufsichtsrat der städtischen Kliniken sitzt, fordert indes, unabhängig von den Plänen für einen Verbund jetzt schon »einen strammen Sanierungskurs« bei den Kliniken einzuleiten. Eine Sanierung sei nötig und ein Überleben auf eigenen Füßen möglich. Die ständigen Zahlungen aus dem Haushalt seien nicht nur politisch problematisch, sagt Unna. Sie könnten auch juristische Konsequenzen haben. Ein Mitbewerber könnte vor Gericht prüfen lassen, ob die fortlaufenden Kredite als unrechtmäßige Beihilfe zu werten seien. Die anderen Klinikbetreiber in Köln haben bislang zwar keine Ambitionen gezeigt, sich zu den Fusionsplänen zu positionieren. Unna lässt dennoch durchblicken, dass er beim Kooperationspartner CDU und bei der Oberbürgermeisterin ein Bewusstsein für die Dringlichkeit vermisst. Aber vielleicht ist man im Rathaus auch einfach nur gelassen, weil es einen breiten Konsens in der Politik gibt, dass eine Privatisierung der städtischen Kliniken auf keinen Fall in Frage kommt.

Der Job ist sicher?

Das schwarz-grüne Ratsbündnis und Oberbürgermeisterin Reker haben öffentlich eine Beschäftigungsgarantie für die 4500 Angestellten der städtischen Kliniken abgegeben. Das ist auch die Minimalforderung des Betriebsrats der Kliniken: »Unsere Arbeitsstellen sollen erhalten bleiben«, sagt Thomas Stiefelhagen, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der Kliniken und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Stiefelhagen spricht von einer extremen Personalnot im pflegerischen Bereich in deutschen Krankenhäusern. Schon heute könnten Betten nicht belegt werden, weil die Pflegekräfte dafür fehlen. Nach den Zahlen der Stadtverwaltung nutzen die Kliniken nur 1070 der 1395 Betten und können damit längst nicht die Einnahmen erwirtschaften, die möglich wären. »Ich weiß nicht wie, aber das wird sich weiter zuspitzen«, sagt Stiefelhagen.
Die Kliniken werben mittlerweile im Ausland um Pflegepersonal. Aber die Personalnot stärkt zugleich die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer. Für die Belegschaft der Kliniken gilt der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD). Dies unterscheidet die städtischen Kliniken vom Universitätsklinikum, wo die Wäscherei und die Reinigung in Tochtergesellschaften mit schlechterer Tarifbindung outgesourct sind. »Eine unserer Basisforderungen ist, dass bei einer Fusion für alle Angestellten der TVöD gilt«, sagt Stiefelhagen. Bei der geplanten Klinikfusion in Leverkusen und Solingen hat eine ähnliche Situation im vergangenen Sommer fast zu einem Scheitern der Verhandlungen geführt. Der Betriebsrat der Solinger Kliniken wollte die outgesourcten Kollegen aus Leverkusen in den TVöD holen, die Leitung wehrte sich. Nach mehreren Monaten Verhandlungspause steht dort jetzt nur noch eine Fusion der medizinischen Abteilungen im Raum.

Neben Eigentümern, Geschäftsführung und Belegschaft spielt aber noch eine andere Institution eine wichtige Rolle in den Verhandlungen. »Wir befürchten, dass das Bundeskartellamt die Fusion scheitern lassen könnte«, sagt Thomas Stiefelhagen. Eigentlich stimmt das Amt den meisten Klinikfusionen zu, aber in jüngerer Vergangenheit hat es die Fusion zweier städtischer Kliniken in Soest nicht genehmigt. In Köln gab es den Plan, dass die Cellitinnen ihre Krankenhäuser in eine gemeinsame GmbH einbringen. Bislang unterhält der Trägerverein der Cellitinnen-Nord vier Krankenhäuser im Kölner Norden; Cellitinnen-Süd verfügt über zwei Krankenhäuser im Süden von Köln und über eins im Norden. »Wir betrachten immer die Auswirkungen von Krankenhausfusionen auf die Region«, sagt Kay Weidner, Pressesprecher beim Bundeskartellamt. Das Amt hat analysiert, aus welchen Stadtteilen die Patienten der Krankenhäuser kommen: »Es gibt keine wesent­lichen Patientenströme über den Rhein«, heißt es im Gutachten. Für die Cellitinnen ist das ein kartellrechtliches Problem, denn alle ihre Krankenhäuser befinden sich im Linksrheinischen. Im Fall einer Fusion hätten sie eine marktbeherrschende Stellung innegehabt. Nach Bedenken des Kartellamts stoppten die Cellitinnen daher im April 2019 ihr Vorhaben.

Für die Fusion von Uniklinik und den städtischen Krankenhäusern ist die Analyse des Kartellamts jedoch ein positives Zeichen. Denn die linksrheinische Uniklinik und die rechtsrheinischen städtischen Kliniken in Holweide und Merheim befänden sich demnach auf zwei verschiedenen Märkten, erläutert Kay Weidner. Dennoch könne man im Moment noch keine endgültige Bewertung vornehmen — dafür seien die Fusionsbemühungen noch nicht weit genug fortgeschritten.

Unsichere Pläne

Das Kartellamt ist nicht die einzige Institution, die darauf wartet, dass sich die Pläne für den Klinikverbund weiter konkretisieren. Fast alle Gesprächspartner erklären, dass noch zuviele Dinge unklar seien, um das Vorhaben endgültig zu bewerten. Eine der größten Sorgen ist, wie sich die Zusammenlegung auf die Gesundheitsversorgung im Rechtsrheinischen auswirken würde. Die Schließung oder die Zusammenlegung des Krankenhauses in Holweide mit der Merheimer Klinik wurde immer wieder diskutiert. Im November sprach sich der Aufsichtsrat dafür aus, die Bettenzahl von 407 auf 115 zu reduzieren. »Das Leistungsspektrum der Krankenhäuser Holweide und Merheim überschneidet sich; es entstehen zu hohe Kosten durch Doppelvorhaltungen«, sagt Monika Funken, Pressesprecherin der städtischen Kliniken. Die langfristige Perspektive wird in die Formel »2 + 1« gepackt. Der Standort Merheim und die Kinderklinik blieben erhalten. Holweide würde anders genutzt, als ambulantes Versorgungszentrum, als Geburtskrankenhaus oder zur Behandlung von Alterskrankheiten — auf jeden Fall als medizinische Einrichtung, aber mit deutlich weniger Betten.

Schnell würde aber auch diese Umstrukturierung nicht gehen. Betriebsrat Thomas Stiefelhagen rechnet damit, dass die Neuorganisation der Klinken Merheim und Holweide acht bis zehn Jahre dauern könnte: »In Merheim müsste dafür ja auch neu gebaut werden.« Für eine ambulante Versorgung gälten zudem strenge rechtliche Rahmenbedingungen, so Internist Michael Krakau vom Marburger Bund: »Wenn Sie eine Versorgung der Bevölkerung mit einer Notaufnahme wollen, dann sind eine Anästhesie, eine Innere Abteilung und eine Chirurgie vorgeschrieben.« Achim Teusch bezweifelt, dass es in Holweide unter den jetzigen Bedingungen ein großes Sparpotenzial gibt. »60 Prozent aller Kosten sind Personalkosten. Mit einer Umwandlung ohne Kündigungen könnte man also nur einen Teil der restlichen 40 Prozent an Kosten reduzieren.«

Der »Gesundheitsstandort« Holweide sei zu erhalten, gibt auch der Ratsbeschluss aus November für die Verhandlungen mit der Uniklinik vor. Michael Paetzold (SPD) trug diese Entscheidung im Aufsichtsrat mit und sieht eine Schließung damit abgewendet, Ralf Unna interpretiert den gleichen Beschluss als das Ende des Krankenhauses in Holweide. Die SPD vor Ort lehnt das strikt ab. Norbert Fuchs, sozialdemokratischer Bezirksbürgermeister für Mülheim und den rechtsrheinischen Norden, warnte mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Martin Börschel vor einer »dramatischen Verschlechterung für die medizinische Versorgung« im gesamten Kölner Nordosten. Auch vom Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach kam scharfe Kritik. Grünen-Politiker Unna wirft SPD und Linken vor, Ängste zu schüren, dass die medizinische Versorgung gefährdet sei. »Von einer Situation wie in Köln kann ein großer Teil der Bevölkerung im übrigen NRW nur träumen«, sagt er.

Fusion mit Demokratiedefizit

»Gemeinsam mit Chorweiler hat der Stadtbezirk Mülheim schon heute die schlechteste Gesundheitsversorgung in Köln«, sagt dagegen der Internist Michael Krakau. Er weist darauf hin, dass im Nordosten und Osten Kölns andere Rahmenbedingungen herrschen: »Wir haben hier eine hohe Armutsquote, auch die Notaufnahme wird stärker nachgefragt als in anderen Stadtteilen.« Gerade ältere Patienten in Holweide würden unter mehrfachen Krankheiten leiden und könnten deshalb nicht ambulant behandelt werden, sagt Beate Hane-Knoll, Krankenschwester, Verdi-Vertrauensfrau an den Kliniken Köln und Mitglied im Kölner Bündnis für mehr Personal im Gesundheitswesen. Sie spricht sich deshalb für einen Erhalt von Holweide als Krankenhaus aus, da diese Patienten ansonsten nicht adäquat versorgt werden könnten: »Die Bezirksvertretung Mülheim hat sich dafür ausgesprochen, der Rat hat sich darüber hinweggesetzt.« Für ihren Betriebsratskollegen Thomas Stiefelhagen kommt jedoch auch eine ambulante Versorgung in Form eines Gesundheitszentrums in Frage. Der medizinische Fortschritt habe dazu geführt, dass viele stationäre Aufenthalte heute nicht mehr nötig seien. Für ihn ist die Bildung von interdisziplinären Zentren zur Behandlung spezieller Krankheiten ein Weg in die Zukunft. »Es ist richtig, Zentren zu bilden«, sagt auch Michael Krakau. »Aber die Frage, was mit Holweide geschieht, wird unter wirtschaftlichem Druck gestellt. Die übergeordnete Planung, wie die Bevölkerung im Nordosten und Osten Kölns zukünftig versorgt werden soll, fehlt.«

Grünen-Politiker Ralf Unna, beklagt, dass sich die Landesregierung bis heute nicht zum Kölner Beschluss geäußert habe. Für Unna ist denkbar, dass sie kein Interesse an Gesprächen habe: »Wir sind deshalb gut beraten, einen Plan B zu entwickeln.« Das NRW-Gesundheitsministerium verweist auf Anfrage auf verschiedene Gespräche mit den Beteiligten und dem für die Uniklinik zuständigen Wissenschaftsministerium. Um »die Tragfähigkeit einer möglichen Zusammenarbeit beurteilen zu können« sei allerdings ein »umfassendes und unter den Kliniken abgestimmtes Konzept hinsichtlich Krankenversorgung sowie Forschung und Lehre« nötig.

Aber wenn so viele Fragen offen bleiben, warum sind Henriette Reker und das schwarz-grüne Ratsbündnis dermaßen von den Vorteilen eines Klinikverbunds überzeugt? »Frau Reker kann vor der anstehenden Wahl einen kommunalpolitischen Erfolg sicher gut gebrauchen«, glaubt Michael Krakau vom Marburger Bund. »Ich denke, Reker wollte das Thema Kliniken vor dem Kommunalwahlkampf vom Tisch haben«, sagt Linken-Politiker Jörg Detjen und kündigt an, dass seine Partei die Zusammenlegung zum Wahlkampfthema machen will. Michael Paetzold (SPD) warnt davor, die Klinikfusion zum Wahlkampfthema zu machen. Die Materie sei »hoch komplex« und damit nicht geeignet für Zuspitzung. Aber Achim Teusch ist nicht überzeugt, dass das Thema der Klinikfusion jemals in aller Komplexität diskutiert werden wird: »In der Bundesrepublik wurden viele gesundheitspolitische Maßnahmen aufgrund von Gedankenspielen beschlossen.«