Schreibt und verkauft: Sayaka Murata

Mein wunderbarer Tante-Emma-Laden

Sayaka Murata erzählt in »Die Ladenhüterin« von der Freiheit hinter der Ladentheke

Sayaka Murata ist einer der Stars der japanischen Literaturszene. Innerhalb kurzer Zeit hat sich die 41-Jährige zur Stimme einer ganzen Generation entwickelt — einer Generation, die sich nicht mehr an die strengen Regeln der japanischen Gesellschaft halten möchte, die sich dem Westen gegenüber geöffnet hat, die Geschlechter­konventionen aufbricht. Murata erreicht mit ihren Texten sowohl Leser*innen, als auch die Literaturkritik. Mit ihrem Debüt »Jyunyū« gewann sie den Gunzō-Nachwuchspreis, den auch schon Ryu und Haruki Murakami gewannen. 2013 folgte unter Anderem der renommierte Mishima-Preis für »Shiroiro no machi no, sono hone no taion no«. Mit »Konbini Ningen« (2016) gelang ihr der große Durchbruch, das Buch verkaufte sich 600.000 Mal; und erschien zwei Jahre später in einer deutschen Übersetzung. Unter dem Namen »Die Ladenhüterin« veröffentlichte der Aufbau Verlag die Übersetzung; die Kritik hierzulande überschlug sich mit Lob, das Buch erschien gerade in der Taschenbuchausgabe — Wortspiele mit dem deutschen Titel verbieten sich also.

»Konbini Ningen« heißt wörtlich übersetzt »Convenient-Store-Mensch« und beschreibt ziemlich genau, wovon das Buch handelt: Konbinis sind kleine Shops für den täglichen Einkauf; irgendwo zwischen großem Büdchen und Rewe To Go. Keiko Furukura, die Ich-Erzählerin der gerade mal 150 Seiten starken Erzählung, arbeitet zum Zeitpunkt der Geschichte seit 18 Jahren in einem solchen Store als Aushilfe. Mit Mitte Dreißig fordert die japanische Gesellschaft eigentlich anderes von »ihren Frauen«: Entweder ist man erfolgreich im Job, oder verheiratet mit Kind. Doch das kommt für Furukura nicht in Frage. Denn der Konbini gibt ihr den Halt, den sie die ersten 18 Jahre ihres Lebens vermisst hatte. Sie erkannte schon rasch, dass sie anders sei als alle Menschen um sie herum: kälter, logischer, umempathisch. So versteckt sie sich schnell hinter Masken, die ihr helfen nicht zu sehr aufzufallen. Im Konbini geht sie dagegen auf. Der strenge Regel-Katalog des Franchise-Unternehmens nimmt ihr alles ab. Er gibt vor, wie man grüsst, wann man was sagt und wie. Sie imitiert ihre Kolleginnen, kauft ihre Kleidung nach und emuliert deren Sprachduktus. Es ist ein Paradies für eine Frau, die nicht weiss, was »normal« sein soll.

Autorin Murata dagegen weiss, wovon sie redet, immerhin hat sie selbst jahrelang in einem Konbini gearbeitet — selbst als ihre Literatur-Karriere schon an Fahrt gewonnen hatte.

Sayaka Murata: »Die Ladenhüterin«, Aufbau Verlag, 145 S., 10 Euro