Vor der Gentrifizierung: »Berlin-Prenzlauer Berg — Begegnungen zwischen dem 1. Mai und dem 1. Juli 1990«, Foto: Defa-Stiftung, Frank Breßler

Augenblicke der Ernüchterung

Das Internationale Frauenfilmfestival widmet sich ostdeutschen Erfahrungen nach der Wende

November 1989, das hat, ob man nun will oder nicht, immer etwas Triumphales — etwas Historisches passiert, vor lauter Geschichte verschwimmt der Blick auf die Gegenwart und alle Perspektiven. Aber schon ein paar Monate nach der »Wende« sieht die Sache anders aus, zeichnen sich Folgen ab, lassen sich Enden erster Illusionen erahnen. »Nach der Wende 1990/2020« heißt das brillante Sonderprogramm des Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund | Köln, das dieses Jahr in Köln stattfindet. Es beschäftigt sich intensiver als vergleichbare Versuche mit Augenblicken der Ernüchterung — des Nicht-ganz-Aufgehens des offiziellen Diskurses zur Historie, der Verluste, auch erster Versuche des Widerstands gegen eine Geschichtsschreibung der Sieger. 

Die ältesten Arbeiten, die zu sehen sein werden, entstanden wenige Monate nach dem Mauerfall: »Berlin-Prenzlauer Berg — Begegnungen zwischen dem 1. Mai und dem 1. Juli 1990« von Petra Tschörtner, eine der Großen des DDR-Dokumentarfilms, die das Ende des alten Prenzlauer Berg begleitet, und »Das Haus«, eine Studie  der Fotografin Barbara Metselaars über die Leere. Zu einer Art Instantklassiker wurde Tamara Trampes und Johann Feindts »Der Schwarze Kasten« (1992), welcher von einem Riss in der Wirklichkeit erzählt: dem Unterschied, wie sich ein Stasi-Offizier an die DDR erinnert und wie die Filmemacher. Annekatrin Hendel fügt fast zwei Dekaden später mit »Vaterlandsverräter« (2011) dem Komplex der Stasi-Aufarbeitung einen verworrenen Fall hinzu: Es geht um den Autor Paul Gratzik, der als IM eine ebenso dicke Täterakte wie Opferakte hat. Offenbar brauchte es bis 2011, bis die BRD sich solchen Widersprüchen zu stellen bereit war. Es zeigt sich, dass die Wirklichkeit komplexer ist als die Mär vom bösen Geheimpolizei-Täterstaat und dem gutwilligen Volk als Opfer. 

Diese Lücke von zwanzig Jahren im Programm (mit Ausnahme von Else Gabriels »Kind als Pinsel« von 2007) ist bezeichnend: In dieser Zeit dachte man, das renke sich alles irgendwie von selbst ein. Tina Baras Fotocollage-Film »Lange Weile« (2016) sowie »From Us to Me« (2016) des Amber Collective lassen aber ahnen, was sich in dieser Zeit des Wegschauens aufgestaut hat.

Infos auf frauenfilmfestival.eu