Darauf eine Mentholzigarette: »Miami Blues«

Analoges aus Privatbesitz

Out of the past – Filmgeschichte auf Kölner Leinwänden

Den ganzen März über spielt der Filmclub 813 ein Programm namens »Festival des ungesichteten Films«. Was nicht heißen soll, dass niemand die Filme kennt. François Truffauts wunderbar tristes Melodram »Die Frau nebenan« (1981) und Peter Fleischmanns Asi-Ode »Herbst der Gammler« (1967) liefen sicherlich schon mal im Hause 813. George Armitages sunshine noir »Miami Blues« (1990) hatte in der Gründergeneration des Clubs Kultstatus — was sich unter anderem im Rauchen von Mentholzigaretten äußerte. In halbwegs kultivierten Cinephilenkreisen als untergriffig angesehen wird zu glauben, man habe Veit Harlans Agfacolor-Delirium »Die goldene Stadt« (1942) noch nicht gesehen oder Pier Paolo Pasolinis geistreich-dreist-derbe Literaturerhöhung »Decameron« (1971) oder Terry Gilliams und Terry Jones‘ humoristische Mittelalterdokumentation »Die Ritter der Kokosnuss« (1975).

Des Rätsels Lösung: Gezeigt werden analoge 35-mm-Kopien aus einem Privatarchiv, welche vom Filmclub unkontrolliert auf das Publikum losgelassen werden. Das heißt: Da könnte einem so manche Verfärbung blühen. Aber Magenta ist schließlich auch eine Farbe. Was hat das Programm an Seltenheiten und Abweichungen zu bieten? Denn auf die sollte man sich konzentrieren. Allen voran den lehrbuchgerecht trashigen, von Regisseur Jürgen Tröster total verhauenen 80er-Jahre-Kinderhumorfilm »Whopper Punch 777« (1986), Eberhard Piepers liebenswert-lebenskluge Pottjugend-Erzählung »Zoff« (1972), sowie André Cayattes leicht angewidert-desillusionierten » Katmandu« (1969) über Hippies in Nepal. Zusammen ergeben sie ein Triptychon über die Schrecken des Jungseins, nach dem man möglichst schnell 90 werden will. Ebenfalls eher was für Profis ist »Lass knacken, Schätzchen« (1980) von Jürgen Enz, dem sicherlich schillerndsten Tunichtgut des BRD-Sexfilms, neben dem Bernard Queysannes »Let’s fetz – Locker vom Hocker« (1978) plötzlich regelrecht kunstvoll wirkt. Abgerundet wird dieser Reigen zweifelhafter Wolllüstigkeiten durch »Das Freudenhaus« (1970) von Alfred Weidenmann, basierend auf einem Roman des Milieuschriftstellers Henry Jaeger, dessen Schaffen eine seriöse Neubewertung verdiente.

Und wem der Sinn nun nach ernsthafter Unterhaltung steht, der sei gelassen auf Großmeister Ivan Passers Gruselsatire »Frankensteins Spukschloss« (1975) und Albert Finneys surreale Proleten-Realismus-Variation »Ein erfolgreicher Blindgänger« (1968) verwiesen.

Infos: filmclub-813.de