Magenta-Invasion: Nicolas Cage

Die Farbe aus dem All

Richard Stanley gelingt eine der seltenen H.P.-Lovecraft-Adaptionen

Unsere Sinne nehmen lediglich einen kleinen Ausschnitt der Realität wahr. Kurz bevor unsere Augen am Rand des Lichtspektums versagen, erkennen wir gerade noch magentaartige Farbtöne. Sie spielen in Richard Stanleys Psychotrip »Die Farbe aus dem All« eine entscheidende Rolle. Denn es geht hier um eine Farbe aus dem All, die der Mensch noch nicht kennt. Sie kommt mit einem Meteoriten auf die Erde nieder, der im Hinterland auf einer Ranch einschlägt. Und die Farbe ändert das Leben aller, die sie sehen.

Das Versagen unseres Sinnesapparats bebildert Stanley also mit dem letzten, was wir gerade noch erfassen können — eine geniale Lösung für ein altes Problem: Denn in den fantastischen Horror-Geschichten von H.P. Lovecraft (1890-1937), auf dessen Vorlage dieser Film beruht, wimmelt es nur so vor allerlei Unfassbarkeiten. Im literarischen Medium funktioniert das wunderbar, aber eine filmische Adaption stößt hier rasch an Grenzen. Auch das ist ein Grund dafür, dass es nur wenige — und noch weniger geglückte — Verfilmungen von H.P. Lovecrafts Geschichten gibt, obwohl der amerikanische Autor das Horror-Genre im 20. Jahrhunderts maßgeblich geprägt hat.

»Die Farbe aus dem All« ist so ein Glücksfall. Das hat auch mit Nicolas Cage zu tun, der sich wieder einmal zum zum »Rage Cage« wandelt und die Archive der Online-Memes neu bestückt. Aber vor allem gelingt der Film wegen Richard Stanley, dem großen Mystiker des Genrekinos. Mit Filmen wie »M.A.R.K. 13« und »Dust Devil« galt Stanley in den 90er Jahren als Hoffnungsträger des Horrorfilms, dann aber verlor sich seine Spur. Bei Stanley ist nun dieser Stoff einer Alien-Invasion in besten Händen: Schon als Kind soll er mit seiner Mutter H.P. Lovecraft gelesen haben.

Stanley schert sich nicht um Horror als Kommentar zum Zeitgeschehen. Er verortet das Genre in diesem Pulp-Film zwischen groteskem Spektakel und l’art pour l’art. Nach einer etwas behäbigen ersten Hälfte entgleitet der Film in blanken Irrwitz und steigert sich zum psychedelischen Inferno. Was für ein Comeback!

Zeit, Raum, Sinn lösen sich auf, weichen der Erhabenheit des Lovecraft’schen kosmischen Grauens: Es gibt Dinge, die hinter dem Horizont der menschlichen Wahrnehmung liegen — wem sich ein Schatten davon offenbart, dem ist in der Welt nichts mehr wie es war. So sind denn auch die letzten idyllischen Bilder dieses exzellent fotografierten Films in ihrer Beschaulichkeit beunruhigend trügerisch.

(Color out of Space) USA/P/MAL 2019, R: Richard Stanley, D: Nicolas Cage, Joely Richardson, Elliot Knight, 111 Min.