Der teuerste Schrottplatz von Köln: Max-Becker-Gelände in Ehrenfeld

Ehrenfelds Sargnagel

Umstrittener Millionen-Deal: Auf einem ehemaligen Schrottplatz sollen Wohnungen und Büros entstehen

Vom »Sargnagel« spricht der Ehrenfelder Bezirksbürgermeister Josef Wirges, SPD, wenn er über den Verkauf eines 12,5 Hektar großen Grundstücks an der Widdersdorfer Straße schimpft. Die Gentrifizierung hat die Gegend längst erfasst. Das Sonic Ballroom und der ehemalige Güterbahnhof, auf dem bereits teure Eigentumswohnungen entstehen — beide sind nicht weit. Mit dem jüngsten Verkauf drohten Aufwertung und Verdrängung jedoch außer Kontrolle zu geraten, so Wirges.

Pandion, einer der größten deutschen Immobilienentwickler, verkündete Anfang Februar, was aus dem Grundstück der Metall-Recycling-Firma Max Becker werden soll. 1300 Wohnungen, 2300 Büroarbeitsplätze, mehrere Kitas und eine Schule stellt sich die Immobilienfirma zwischen Gleisen, einem Gasspeicher und der Widdersdorfer Straße vor. In der Presse kursierte ein Kaufpreis von bis zu 200 Millionen Euro — für ein Grundstück, das noch saniert werden muss, und auf dem ohne politischen Beschluss keine einzige Wohnung gebaut werden darf. Um es für Wohnungen zu nutzen, müsste das Industriegelände ­zunächst offiziell umgewidmet ­werden.

Der Aufschrei war groß. Die dringend benötigten bezahlbaren Wohnungen, von den vorgeschriebenen 30 Prozent sozialer Wohnungsbau abgesehen, seien so wohl nicht zu erwarten, so die Politik. SPD und Linke gehen noch weiter: Sie unterstellen der Stadtspitze und dem schwarz-grünen Bündnis, dem Investor frühzeitige Zusagen gemacht zu haben. Baudezernent Markus Greitemann weist das zurück. Auch wenn es sie nicht gab: Der Vorgang zeigt, dass Investoren in Köln kein großes Risiko kalkulieren müssen.

»Pandion hat einen Preis bezahlt in Erwartung dessen, was da künftig möglich sein wird«, sagt Rafael Struwe, für die SPD im Liegenschaftsausschuss. »Die setzen darauf, dass der Druck groß genug ist, Wohnraum zu schaffen«, sagt Jörg Frank, Ratsmitglied der Grünen und Ausschussvorsitzender. Bis zu 9000 Euro je Quadratmeter könnten die Eigentumswohnungen später kosten, schätzt er.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Politik und Verwaltung eine Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, ungenutzt ließen. Der Verkauf kündigte sich spätestens 2018 an. Die Rheinenergie, 80-prozentige Tochter des Stadtwerkekonzerns, in dessen Aufsichtsrat die größeren Parteien vertreten sind, hatte das Grundstück ursprünglich an die Recyclingfirma verkauft und ein Vorkaufsrecht eintragen lassen. Keiner der Beteiligten machte Anstalten, dieses zu nutzen. Nun, da der immense Preis feststehe, sei es zu spät, heißt es.

Der Vergleich mit einem Grundstück, das die Deutz AG 2017 veräußerte, zeigt, dass es auch anders geht. Damals zahlte ein Entwickler 125 Millionen Euro für 16 Hektar im Mülheimer Süden. Ein zweistelliger Millionenaufschlag sollte zusätzlich fällig werden, abhängig von der Entscheidung des Rates über die erlaubten Wohn- und Büroflächen. Erleichterung für den angespannten Wohnungsmarkt sei bei solchen Preisen kaum zu erwarten, hieß es auch damals. Dass Rat und Verwaltung aber noch Einfluss nehmen können, spiegelte sich im Kaufvertrag immerhin wieder.

Eine solche Vereinbarung gibt es offenbar auch zwischen Pandion und dem Schrottverwerter, so die Darstellung einer Person, der der Kaufvertrag vorlag, auf Anfrage der Stadtrevue. Pandion will das nicht klarstellen. Vielleicht kommt die Empörung ja gar nicht ungelegen? Almut Skriver, Architektin aus Ehrenfeld und eine der Gründerinnen der Helios-Bürgerinitiative, kann sich vorstellen, dass es ein Interesse gibt, die Erwartungen möglicher Zugeständnisse zu dämpfen. Sie wirft zudem der Politik vor, Wahlkampf zu machen mit »Gerüchten ohne Ende« und plädiert für mehr Geschwindigkeit.

Ihr Vorschlag: Eine Bürgerbeteiligung noch vor dem Sommer, anschließend ein Wettbewerb, in dem mehrere Planer ihre Ideen zusammen mit den Bürgern diskutieren, und aus dem, nach gesamtstädtischen Gesichtspunkten entschieden, ein gemeinsamer Entwurf hervorgeht. Erst danach soll das Verfahren beginnen, an dessen Ende der Bebauungsplan mit den rechtlichen Vorgaben steht. So ließen sich dem Investor Flächen für Baugruppen, junge Genossenschaften, Kultur und Soziales abringen. Auf keinen Fall dürfe seine Planung einfach übernommen werden, mahnt Skriver.

Im Februar entschied der Rat mehrheitlich, zumindest einen Wettbewerb anzustoßen. Im Anschluss soll ein Bebauungsplan erarbeitet werden. An diesem Verfahren sollen sich dann auch die Bürger beteiligen. Die Ehrenfelder Bezirksvertretung sprach sich dagegen im März einstimmig für ein Vorgehen aus wie von Skriver vorgeschlagen. »Analog zum Heliosgelände«, sagt Wirges. Von Pandion erwartet er Entgegenkommen: »Sonst bleibt das ein Industriegebiet.«

Der Plan des Rates sieht anders aus: Die Rheinenergie soll es richten. Das Gebiet für den Bebauungsplan ist so zugeschnitten, dass das Nachbargrundstück ebenfalls betroffen ist. Es gehört der Rheinenergie, die deshalb mitzureden haben wird. Der Rat hat beschlossen, dass beide Unternehmen das Gebiet gemeinsam entwickeln sollen. Eine entsprechende Vereinbarung gibt es bereits. Nach Geschwindigkeit und Bürgerbeteiligung sieht das allerdings nicht aus.