Nixe auf dem Trockenen: Paula Beer, Foto: © Schramm Film/Marco Krüger

»Es geht um bedingungslose Liebe«

Paula Beer über ihre Rolle in Christian Petzolds »Undine« und den gleichnamigen Mythos der Wassernymphe

 

Undine ist ein mythischer Wassergeist, der erst durch die Liebe eine Seele bekommt, aber untreue Männer tötet. Was hat Sie an der Rolle gereizt? Man hat eigentlich diese Geschichte der Meerjungfrau im Kopf, dieses zarte Mädchen aus dem Märchen. Sirenen und Nymphen sind auch sensible weibliche, erotische Wesen, das verbindet sich aber bei Undine mit diesem Fluch: »Wenn du mich verlässt, werde ich dich töten.« Da gibt es kein Ausweichen. Das ist wie ein Naturgesetz, das mit ihr einhergeht. Zur Vorbereitung habe ich viele Märchen gelesen, die sich mit Wasser und all diesen Wesen beschäftigen. Ich fand es spannend, dass dieser Mythos mit den wallenden Kleidern und langen Haaren ins heutige Berlin übertragen wird. Der Film ist auch wie ein Traum, weil es so sehr um Liebe und Sehnsucht geht — obwohl sie auch eine Mörderin ist. Wer weiß, wie viele Männer sie schon ertränkt hat, weil sie betrogen wurde? Trotzdem geht es ums Geliebtwerden. Was ist denn diese Liebe, die nur die Menschen beherrschen? Dass es so sehr um bedingungslose Liebe geht, fand ich von Anfang an spannend.

Stimmt es, dass die Idee zu »Undine« auf Christian Petzolds vorangegangenen Film »Transit« zurückgeht? Ja. Er hat uns schon während des Drehs zu »Transit« von dieser Geschichte erzählt, die er gern verfilmen würde. Christoph und Marie finden in »Transit« kein Ende. Sie verschwindet mit diesem Schiff, das untergeht. Hat sie überlebt oder nicht? Ist sie überhaupt an Bord gegangen? Und jetzt sind Franz Rogowski und ich als Christoph und Undine die Fortführung. Jetzt kommt sie aus dem Wasser und ist wieder da.

Im Film arbeitet Undine als Historikerin. Das hat nichts Mythisches und Märchenhaftes: Sie vermittelt Fakten über die Berliner Geschichte. Wie haben Sie sich diese Seite der Rolle angeeignet? Sie halten ja Vorträge, die manchmal 16 Drehbuchseiten lang sind. Ich musste ein bisschen lachen, als ich das Drehbuch zum ersten Mal gelesen habe. Der will mich doch ärgern! Das Tolle an den Texten ist aber, dass sie so gut geschrieben sind. Sie ergeben eine Chronologie der Stadt, mit Jahreszahlen, Namen, architektonischen Fakten. Undine macht das schon ein ganze Weile. Sie hält also ihren Vortrag nicht zum ersten Mal. Sie muss nicht nach Wörtern suchen, das ist ihr Dasein. Wenn man Undine dazu als mythische Figur versteht, weiß sie das alles sowieso, weil sie die Geschichte Berlins miterlebt hat. Sie muss sich das nicht erarbeiten. Für mich war vor allem wichtig, dass ich mich nach und nach in die Texte einarbeiten konnte. Die Zeit hatte ich zum Glück.

Sie erwähnten vorhin, dass Sie in Vorbereitung auf den Film viel gelesen hätten. Haben Sie auch Filme geschaut, zum Beispiel »Ondine« von Neil Jordan? Den habe ich mir bewusst nicht angeguckt. Dann kriegt man zu präzise Bilder im Kopf. Diese Märchen sind Geschich­ten ohne Bilder, und man macht sich dann die Bilder selber. Bei »Transit« habe ich den Roman von Anna Seghers angefangen und dann gemerkt, dass es mir nicht hilft. Im Buch ist es so, bei uns ist es anders — da beginnt man zu verklemmen. Christian hat uns ein paar Filme herausgesucht, die Jules-Verne-Verfilmung »20.000 Meilen unter dem Meer« zum Beispiel oder »Unter den Brücken« von ­Helmut Käutner. Dadurch haben wir besser verstanden, worum es ihm geht.

Das ist jetzt Ihre zweite Zusammenarbeit mit Christian Petzold nach »Transit«. Was schätzen Sie an ihm? Ich mag generell Christians Arbeitsweise und seine Fähigkeit, eine bestimmte Atmosphäre um sich herum zu schaffen. Weil er mit seinem Team schon sehr, sehr lange zusammenarbeitet, gibt es eine wahnsinnige Ruhe, die eine Konzentration für das Projekt ermöglicht. Man redet dadurch offener miteinander, weil man sich kennt und vertraut. Es ist ein geschützter Rahmen. Dadurch geht es sehr um die Sache. Da ist seine Arbeitsweise einmalig. Er schafft es, sehr effektiv zu arbeiten. Morgens proben wir im Kostüm. Dann schauen sich alle vom Team die Szene an. Wir werden in der Maske gut vorbereitet, dann wird gedreht. Christian macht immer nur ein oder zwei Takes. Das ist ein sehr angenehmes Arbeiten: So entspannt kann das vonstatten gehen und doch so auf den Punkt. Wenn man sich dann noch so gut versteht, macht das Riesenspaß.

Der Start von »Undine« wurde auf den 11.6. verschoben.

Paula Beer, geboren in Mainz, spielte im Alter von 14 Jahren die Hauptrolle in »Poll« (2010) von Chris Kraus, für den sie mit dem Bayerischen Filmpreis als Beste Nachwuchsschauspielerin ausgezeichnet wurde. In der Folgezeit setzte sie ihr Schauspiel-Coaching parallel zu ihrer Schulausbildung fort. Mit der Hauptrolle in François Ozons »Frantz« (2016) gelang ihr der große internationale Durchbruch, sie wurde u.a. als beste Nachwuchsschauspielerin auf dem Filmfestival von Venedig ausgezeichnet. Durch ihre Hauptrolle in der vielfach preisgekrönten TV-Serie »Bad Banks« (seit 2018) hat sie in Deutschland zusätzliche Bekanntheit erlangt. »Undine« ist nach »Transit« (2018) ihre zweite Zusammenarbeit mit Christian Petzold, auf der diesjährigen Berlinale wurde ihr für ihre Leistung im Film der Silberne Bär verliehen.