Stubenarrest | Illustration: Elke Schwirtheim

Wimperntusche gegen die Abwärtsspirale

Imke Eichhorn ist vorerkrankt und war mit ihrer Tochter in Quarantäne. Ein Erfahrungsbericht

Ich bin mit meiner Tochter seit dem 5. März in Quarantäne. Wir gehören zu den »frühen Fällen« in Köln. Meine Tochter hatte bei einer Freundin übernachtet. Ein paar Tage später rief das Gesundheitsamt an, die Mutter der Freundin war positiv getestet worden. Ich darf seitdem die Wohnung nicht mehr verlassen — ein riesiger Schock. Natürlich hatte ich nichts gehamstert.

Der Mitarbeiter vom Amt empfahl mir, in meinem Umfeld nicht das C-Wort in den Mund zu nehmen, um Panik zu vermeiden. Ich sollte es auch erst mal nicht meinem Arbeitgeber sagen, und in der Schule meine Tochter einfach krank melden. Ich war total verunsichert. Ich habe das zuerst getan, aber dann auf mein Gewissen gehört und der Schule und meinem Arbeitgeber Bescheid gegeben. In wessen Verantwortung liegt eigentlich die Entscheidung? Auch wenn die Mitarbeiter der Ämter, gerade am Anfang, überfordert sein mögen, kann es doch nicht sein, dass die Verantwortung an die Menschen in Quarantäne delegiert wird.

Dann habe ich eine Ordnungsverfügung bekommen: Wir mussten zwei Wochen in unserer Wohnung bleiben. Als ich das Schreiben mit den Szenarien wie Zwangsabsonderung bekam, habe ich mich wie ein Verbrecher gefühlt und erst mal geheult. Das Gesundheitsamt teilte mir mit, dass ich jeden Tag angerufen werde und ich Tagebuch schreiben müsse: wie es uns geht, ob wir Symptome haben. Es kam aber kein weiterer Anruf. Ich glaube, die haben uns vergessen.

Vor zwei Jahren hatte ich eine Lungen-OP, deshalb bin ich schon besorgt. Weil die versprochenen Anrufe ausblieben, hatte ich bei der Notfallnummer angerufen. Dann hatte ich einen Amtsarzt am Telefon, der mir vor allem erzählte, wie gestresst er sei. Das ist nachvollziehbar, hat mir aber nicht geholfen. Es hat mich auch niemand vom Amt gefragt, ob ich klarkomme oder Hilfe bräuchte, etwa für Einkäufe. Meine Freunde und Nachbarn versorgen mich aber sehr gut, stellen mir Care-Kisten ans Fenster.

Ich fühle mich fremdbestimmt. Nach meiner Lungenkrankheit hatte ich ein paar Mal Panikattacken. Das kam jetzt wieder hoch, ich habe ja keine Ablenkung. Manchmal komme ich mir vor wie ein Tier im Käfig, das die ganze Zeit hin- und herläuft. Man muss aufpassen, dass man nicht in eine Abwärtsspirale gerät.

Vor ein paar Tagen fühlte ich mich schlapp, hatte Husten. Ich habe über einen befreundeten Arzt einen Corona-Test bekommen. Das Ergebnis war negativ, aber es kann noch am letzten Tag der Inkubationszeit ausbrechen. Jetzt habe ich entschieden, unsere Küche zu streichen. Meine Tochter hat Stricken gelernt. Ich nehme jetzt auch wieder Wimperntusche — nur für mich.

Eigentlich müssen wir das Essen schon etwas rationieren. Meine Tochter hat die ganze Zeit Hunger, wahrscheinlich ein Wachstumsschub. Trotzdem legt sie sich nur noch eine halbe Scheibe Wurst aufs Brot. Sie macht das sehr gut in unserer Situation. Klar hatte sie auch mal Angst, aber ich habe ihr dann viel erklärt. Die Quarantäne hatte auch gute Seiten. Wir haben sehr viel Zeit miteinander verbracht, wir haben viel auf dem Sofa gekuschelt. Das wird unsere Beziehung bestimmt noch verbessern.

Was die Erziehung betrifft, lasse ich gerade vieles laufen: Wir gucken oft Fernsehen, meine Tochter darf auf meinem Handy spielen. Als das Wetter schön war, war sie sehr geknickt. Ich hatte mal kurz die Idee, dass wir einfach mal nachts in den Park rausschleichen. Das haben wir aber nicht getan. Nur unser Kater geht noch raus. Wir haben den Nachbarn gesagt, sie sollen ihn nicht streicheln.

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