Blick-Kontakt: Travis Alabanza, Foto: Poppy Marriott

Die Zärtlichkeit des Blicks

»I tried to fuck up the system, but none of my friends texted me back« ist zu Gast im Schauspielhaus Düsseldorf

 

»Irgend etwas war immer im Weg, eine Bühne oder mein Gender«, erklingt die sonore Stimme Travis Alabanzas im Kopfhörer. Im Weg auf der Suche nach Intimität. Intimität in den Beziehungen, in den Alltagsbegegnungen, in den politischen Kämpfen — das wünscht sich Alabanza und fürchtet sich doch gleichzeitig davor. In dieser Spannung zwischen Sehnsucht und Angst entsteht ein zärtliches Plä­doyer.

Eine Bühne ist diesmal nicht im Weg. Travis Alabanza sitzt gemeinsam mit dem Publikum auf Klappstühlen. Mit sparsamen Bewegungen und Beteiligungseinladungen an das Publikum entfaltet sich ein kunstvoll komponiertes, poetisches Radioballett.

Die Erzählung spielt in der U-Bahn. Dort wird Travis Alabanza Zeug*in einer Szene magischer Intimität: Eine Frau weint und ein ihr unbekannter Mann bietet ihr ein Taschentuch an. Mit eigenen ungeweinten Tränen im Herzen läuft Travis Alabanza in einer U-Bahnstation in einen Passanten. Die Aufprall verläuft ohne Augenkontakt, ohne eine Entschuldigung. Travis Alabanza fragt über die Kopfhörer: Wieso fällt es uns so schwer Menschen in die Augen zu sehen, uns zu entschuldigen, während wir ohne weiteres kritische Blogeinträge verfassen, auf Demos wütende Sprüche skandieren?

»Ich wollte eine Show machen, in der ich Menschen in die Augen schaue«, erklärt Travis Alabanza im anschließenden Artist-Talk mit Mandhla Ndubiwa vom Kölner Kollektiv DEMASK. Dabei sei der Theaterraum auch immer ein Raum, in dem Menschen ihr zuhören als Schwarze Trans*-Person. Anders als im öffentlichen Raum, bemerkt die preisgekrönte Performer*in und vielbeachtete Lyriker*in.

Guy Dermosessian versteht diesen Wunsch nach Blickkontakt auch als Liebeserklärung an das Publikum. Als Diversity Manager im Schauspiel Düsseldorf kuratiert er die Reihe »Embracing Realities«. Travis Alabanzas Show und das anschließende Gespräch mit DEMASK sind Teil dieses Konzepts. Guy Dermosessian will Realitäten ins Spiel bringen, die bisher im Schauspielhaus Düsseldorf kaum eine Bühne haben. DEMASK ist zum Beispiel ein queeres Kollektiv, das Events von und für BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) organisiert. Für den DJ ­Dermosessian ist das Theater eine öffentliche Einrichtung und gehört allen: »In meiner Arbeit betrachte ich diese Institution als Toolbox. Sie hat Bühnen, sie hat Licht, sie hat Ton.« Diese Toolbox stellt er Kurator*innen und Künstler*innen zur Verfügung, die mit ihrer persönlichen Perspektive zu seiner Vision eines Theaters für alle beitragen. Ein Theater, in dem sich unterschiedliche Realitäten nicht im Weg stehen, sondern umarmen.