Installationsansicht, Foto: Grzegorz Siembida

Die Blumen des Guten

Floraphilia. Revolution of Plants erkundet das subversive Potenzial der Pflanzenwelt

Um die globale Erwärmung zu stoppen, muss noch einiges getan werden, so viel steht fest. Es gehören radikale Praxen dazu. Während für viele Natur nur eine weitere Möglichkeit ist, sich dem Konsumrausch hinzugeben, auch indem man in ihr paradoxerweise Zuflucht vor der kapitalistischen Gesellschaft und ihrem desaströsen Wirken sucht, könnte man auch das emanzipatorische Potenzial in ihren Wurzeln entdecken und Pflanzen gar als Vorbilder wahrnehmen — so wie es die Ausstellung »Floraphilia. Revolution of Plants« tut.

Pflanzen kennen keine Grenzen, stehen für Widerstand und Erneuerung, organisieren sich dezentral und funktionieren in Abhängigkeitsverhältnissen. Seit dem Auftakt 2018 in Köln an der Akademie der Künste der Welt wird am Projekt »Floraphilia« geforscht und die Ausstellung weiterentwickelt, mit Stationen in Berlin, Aalst, London und Warschau. Auch in der Temporary Gallery wird man gefordert, den Blick hin zur Natur als Inspirationsquelle zu richten, aus der eine politische Kraft erwächst.

Die Künstler Igor und Ivan Buharov laden in eine Art chromatisch-leuchtendes Wohnzimmer ein, dessen Einrichtung irgendwo zwischen Gartenhaus, Trödelladen und Tempel liegt. Träume, Magie und folkloristische Motive verweben sich in den surrealistischen Filmen der Installation und zeigen auf, dass in Zeiten von Massenüberwachung Pflanzen vielleicht die vertrauenswürdigsten Kommunikationspartner sind. Während man sie als anarchistisches Labor für eine heranbrodelnde Revolution verstehen kann, die ihre Kraft aus einem Austausch aller Arten zieht, ist es auch eine Studie für den neuen Langzeitspielfilm des ungarischen Duos.

Generell begegnen wir in den Ausstellungsräumen weniger der wilden, unkontrollierbaren Natur als der domestizierten. So handelt Åsa Sonjasdotters Video von der Periodizität und dem Rhythmus kultivierter Pflanzen am Beispiel eines norwegischen Bauern, der Urgetreide anbaut. Milena Bonilla zeichnet mit dünnen Metallsträngen ein Netzwerk aus Saatgut von Pflanzen, welche die Marxistin Rosa Luxemburg in ihrer Zeit als Gefangene in einem Herbarium ordnete, ein rhizomartiges Gedicht über die heilende Kraft von Pflanzen. Die Annäherung in die Perspektive der Pflanzen kann aber auch ganz simpel sein: So ist die Künstlerin Cecylia Malik ein Jahr lang jeden Tag auf einen Baum geklettert — Aktivismus, Performance und Selbstversuch zugleich.

Temporary Gallery, Zentrum für zeitgenössische Kunst e.V., Mauritiuswall 35, Do–So 12–19 Uhr, bis 7.6., Eintritt frei

Aktuellen Stand vor Besuch erfragen: temporarygallery.org