Die Nummer 1 im Rheinland und ­jüdisch

Ein neues Buch beschreibt die Geschichte der Lengfeld’schen Buchhandlung

Dort, wo sich ein namhafter Outdoor-Händler in der Kölner Innenstadt mit Tauchbecken, Kältekammer und Kletterwand ziemlich breit gemacht hat, befand sich einmal die größte Buchhandlung im Rheinland: die Lengfeld’schen Buchhandlung. Genau so wenig bekannt dürfte sein, dass diese Buchhandlung über Jahrzehnte im Besitz einer jüdischen Familie war, der Familie Ganz. Das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln hat dazu nun ein eindrückliches Buch herausgebracht.

Gegründet wurde die Buchhandlung 1842 von Moritz Lengfeld. Das Geschäft befand sich zunächst in der damaligen Prachtstraße von Köln, der Hohe Straße. 1880 erwarb die jüdische Familie Ganz die Buchhandlung und erweiterte sie zur Kunst- und Leihbibliothek. Selbst aus Übersee konnte man hier Bücher bestellen. Mindestens einmal im Jahr gab die Leng-feld’sche Buchhandlung einen Katalog mit ihren Neuerwerbungen heraus. Nach dem Umzug in den Olivandenhof präsentierte sich das Geschäft mit acht Schaufenstern und verteilte sich auf drei Etagen. Anfang der 30er Jahre plante die Familie die Übergabe des Geschäftes an die dritte Generation. Nach der Machtübernahme der Nazis war daran aber nicht mehr zu denken.

Die Historiker*innen Brigitte und Fritz Bilz haben jetzt ein Buch über die Geschichte der Familie Lengfeld veröffentlicht. Es gibt einen Einblick in das jüdische Milieu jener Zeit. Im Mittelpunkt stehen dabei die Lebensberichte von Familienmitgliedern aus drei Generationen. 1934 emigrierte ein Großteil der Familie nach Belgien, Palästina, Frankreich und später
in die USA. Auch von diesen teils abenteuerlichen Fluchtgeschichten handeln die Berichte.

Nicht alle konnten fliehen. Anna Ballin, eine Tochter des Gründerehepaars Alexander und Clara Ganz, blieb in Köln, um ihren Sohn Gottfried nicht im Stich zu lassen. Der saß im Zuchthaus, weil er sich an Widerstandsaktivitäten im rechtsrheinischen Köln beteiligt hatte. Anna Ballin wurde im Ghetto Litzmannstadt ermordet, Gottfried Ballin im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.

Nach 1936 übernahmen zwei nichtjüdische Angestellte treuhänderisch die Buchhandlung, und zwar im Einverständnis mit der Familie Ganz. Nach dem Krieg gab es von der Familie aber niemand mehr, der oder die das Geschäft hätte weiterführen können. Die Treuhänder wurden zu Besitzern. Seit 1962 hat die Leng­feld’sche ihr Domizil am Kolpingplatz. Einen guten Namen hat sie immer noch. Gleich dreimal, nämlich 2015, 2016 und 2017, erhielt sie den Deutschen Buchhandlungspreis.

Brigitte und Fritz Bilz (Hrsg.): »Die ­Familie Ganz und die Lengfeld’sche Buchhandlung«, Metropol Verlag, 262 Seiten, 19 Euro