»Eine Spezialisierung lohnt sich immer«

Inka Klement von der Arbeitsagentur Köln über den Boom der Gesundheits- und Sozialbranche, neue Wege in der Weiterbildung und die Vorzüge der Nische

Frau Klement, das Gesundheits- und Sozialwesen hat sich in den vergangenen zehn Jahren zur größten Branche in Köln entwickelt und soll künftig weiter wachsen. In welchen Bereichen wird Personal gesucht? Überall. Beim ärztlichen Personal und im gesamten sozialpflegerischen Bereich herrscht ein großer Mangel an Mitarbeitern, also bei Erziehern, Gesundheits- und Krankenpflegern, Altenpflegern, Hebammen. So gut wie alle, denen wir eine Umschulung in diese Berufe anbieten, haben am Ende einen unbefristeten Arbeitsvertrag in der Tasche.

Ist eine Weiterbildung im sozialpflegerischen Bereich dann überhaupt attraktiv, wenn man schon mit der Grundausbildung so gute Jobaussichten hat?

Jegliche Spezialisierung und zusätzliche Qualifikation zahlt sich aus, denn dann ist man in der Lage, sich die Stellen auszusuchen. Je spezialisierter man ist, desto attraktiver ist man. Eine Weiterbildung in Intensivpflege oder im OP-Bereich macht nicht jeder, das kann auch nicht jeder. Das lohnt sich auch finanziell, man wird bei der Bezahlung höher eingestuft.

Im Gesundheits- und Sozialwesen arbeiten besonders viele Frauen, viele dabei in Teilzeit. Die Bezahlung ist im Vergleich zu anderen Branchen unterdurchschnittlich. Kann man mit einer Weiterbildung sein Gehalt aufbessern?

Je nach Arbeitgeber kann man in den Gehaltsverhandlungen einiges herausholen. Zum Beispiel die medizinischen Fachangestellten in Arztpraxen: Um gute Leute zu bekommen, zahlen die Praxen heute oftmals deutlich mehr, als die Kammern empfehlen. Wenn medizinische Fachangestellte sich im Bereich Abrechnungen oder Praxismanagement weiterbilden, lohnt sich das auf jeden Fall. Ihr Gehalt verdoppeln können sie damit aber nicht. Insgesamt ist der Arbeitsmarkt so, dass die Bewerber Forderungen stellen können — und sei es »nur«, was die Arbeitsbedingungen und -zeiten angeht. Die Arbeitgeber werden da offener, sprechen Schichtpläne flexibler ab und gehen auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter ein.

Man hört oft die Klage, der Pflegeberuf sei schlecht mit Familie vereinbar.

Auch im Pflegebereich finden Sie Nischen. In der ambulanten Pflege etwa kann man sich die Arbeitszeiten besser einteilen. In der Intensivpflege zuhause arbeitet man in 24-Stunden-Schich­ten und hat dafür einige Tage frei, auch das kommt manchen entgegen.

Gibt es für die vielen Teilzeit-Beschäftigten im Gesundheitswesen auch die Möglichkeit, sich in Teilzeit weiterzubilden?

Es gibt in Köln drei Träger, die Umschulungen zum Erzieher in Teilzeit anbieten. Wer nur in Teilzeit umschulen kann und dafür keinen Bildungsträger findet, kann eine betriebliche Einzelumschulung machen. Da steigt man bei einem Betrieb ins zweite Lehrjahr ein und macht eine um ein Drittel verkürzte Ausbildung. Man ist nah an der Praxis und wird oftmals direkt vom Betrieb übernommen. Darüber hinaus gibt es natürlich jede Menge Kurse, die an Wochenenden stattfinden, oder man nimmt ein paar Tage Bildungsurlaub.

Wie viele Pflegekräfte oder Fachangestellte entscheiden sich für eine Spezialisierung?

Das sind Menschen, die Ambitionen haben, oder die einen Bereich entdeckt haben, bei dem sie sagen: Das ist meins, das passt zu mir! Nischen wie die Kinderintensivpflege oder die Arbeit mit Frühchen. Das ist eine belastende Arbeit, das kann nicht jeder. Aber einige finden darin ihre Berufung.

Welche neuen Weiterbildungen gibt es im Pflegebereich?

Die Pflegeausbildung wurde zu Jahresbeginn völlig neu aufgestellt. Es gibt jetzt zudem die Möglichkeit, ein Duales Studium zu absolvieren, um Pflegefachkraft zu werden. Man legt nach drei Jahren eine Prüfung ab, sattelt noch ein Jahr drauf und hat dann einen Studienabschluss. Das bietet beispielsweise die Uniklinik Köln an. Man verdient das Gleiche wie in der Ausbildung, etwas mehr als 1000 Euro im ersten Lehrjahr, und hat dann die Möglichkeit, nach dem Studium auf einem anderen Level einzusteigen.

Auch finanziell auf einem höheren Level?

Ja, man steigt etwas höher ein. Das ist ein Ergebnis der »Konzertierten Aktion Pflege« der Bundesregierung, die zum Ziel hatte, mit besseren Ausbildungsmöglichkeiten und mehr Gehalt den Personalmangel zu bekämpfen. Uns in der Arbeitsagentur fällt aber auf: Den Menschen, die aus dem Pflegeberuf rauswollen, geht es selten ums Gehalt. Sie haben oft persönliche Gründe. Eine Arbeit in der Pflege oder auch mit Kindern ist anstrengend, sowohl psychisch als auch körperlich. Irgendwann kommen manche an ihre Grenzen.In solchen Fällen überlegen wir mit den Kundinnen und Kunden gemeinsam: Bleibt‘s die Branche? Oder kann man eine Nische finden, wo es passt?

Die klassische Ausbildung der Pflegeberufe wurde auch reformiert. Was war der Gedanke dahinter?

Alle Pflegeberufe werden jetzt zwei Jahre lang zusammen ausgebildet, erst im letzten Jahr spezialisiert man sich. Es gab die Hoffnung, dass die Altenpflege, die es besonders schwer hat, Mitarbeiter zu finden, damit attraktiver wird. Ob das klappt, zeigt sich aber erst in zwei Jahren. Außerdem ist die Ausbildung europaweit vereinheitlicht und anerkannt. Man kann also jederzeit auch im EU-Ausland arbeiten.