Auf Abstand zur Politik: Zuschauertribüne im Ratssaal

Stell dir vor, es ist Wahl und keiner geht hin

In Köln wird diskutiert, wegen der Corona-Krise die Kommunalwahl zu verschieben

»Nach Wahlkampf steht mir gerade nicht der Kopf«, erklärte Kölns OB Henriette Reker Anfang April im Interview mit Deutschlandfunk Kultur. Sie habe gerade andere Probleme als die Kommunalwahl. Am 13. September sollen sowohl der Rat der Stadt Köln als auch die Bezirksvertretungen und die Oberbürgermeisterin gewählt werden. Die Ratsmitglieder werden dann sechs Jahre im Amt gewesen sein, die OB fünf.

Mitten in der Corona-Krise werden aber Forderungen laut, die Kommunalwahlen in NRW zu verschieben. »In aller Deutlichkeit« spricht sich die Linke dafür aus, auch die grüne Landesspitze hat Bereitschaft signalisiert. In Köln hatte unter anderem die Wählergruppe GUT eine Verschiebung gefordert. Insgesamt 900 Unterschriften muss GUT in den 45 Kölner Wahlbezirken bis zum 16. Juli sammeln, um eine Liste für den Rat aufzustellen. Dazu kommen 450 Unterschriften für ihren OB-Kandidaten Thor Zimmermann. Die Kölner Parteien haben bereits das Land NRW aufgefordert, die Abgabefrist zu verlängern. Die Wählergruppe GUT überlegt dennoch, ob man digital einfacher an die nötigen Unter­schriften gelange, sagt ihre Vorsitzende Aline Raab-Damaske. »Ein rein digitales System wie das Petitionsverfahren des Bundestages könnte hilfreich für uns sein. Die­jenigen, die uns zugetan sind, sind digital ja durchaus gut unterwegs.«

Zuvor ist aber noch ein Problem zu lösen, das fast alle Parteien betrifft. Die Ratskandidat*innen müssen auf Aufstellungsversammlungen gewählt werden. Nicht alle Parteien haben das vor der Corona-Krise getan. Jetzt stehen sie vor der Aufgabe, sichere Mitglieder- oder Delegiertenversammlungen mit teils Hunderten von Menschen zu organisieren. OB Reker will dafür städtische Räume bereitstellen. Trotzdem bleiben Fragen. »Was machen wir, wenn diejenigen nicht kommen, die zur Risikogruppe gehören?«, sagt Jochen Ott, Kölner SPD-Landtagsabgeordneter und Fraktionsvize. »Demokratietheoretisch ist das ein Problem.« Wäre die Verschiebung bis zum Ende der Krise die Lösung? »Das geht im Kriegsfall, aber nicht bei einer Pandemie«, sagt Ott. »Juristisch ist das alles äußerst heikel.« Kölns CDU-Chef Bernd Petelkau, ebenfalls Mitglied des Landtags, merkt an, dass die Amtszeit der Gewählten am 31. Oktober 2020 ende: »Es gibt Verfassungsrechtler, die sagen: Wenn man die Wahl verschiebt, kann es passieren, dass Kommunen ohne amtierende Oberbürgermeister und Stadträte dastehen.«

Im Land beraten die Parteien nun über ein juristisch einwandfreies Modell. »Das ist ein Dilemma«, sagt Ott. »Denn die Wahlen während einer Pandemie durchzuführen, bedeutet ja auch, dass Menschen zu Hause bleiben werden.« Ist Briefwahl eine Lösung, wie es etwa Bernd Petelkau vorschlägt? Oder mehr Wahllokale, die womöglich über mehrere Tage geöffnet werden? NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) lässt die Debatte vergleichsweise kalt. Mitte April sagte er der dem Deutschlandfunk: »Im September hoffen wir ja nun alle, dass die Lage besser ist als heute.«