Nicht nur into the box, sondern auch out of the box: In der Krise müssen Gastronomen neu denken

Gastgeberschaft im Karton

Die Schließung der Gastronomie setzt auch kreative Energie frei. Die Innovationen werden die Corona-Krise im Idealfall überdauern

Ein »Lockdown« muss nicht Stillstand bedeuten. Während einige gastronomische Betriebe die Kommunikation nach außen komplett eingestellt haben, gibt es andere, die mit Empathie und persönlicher Ansprache mit den Gästen in Kontakt geblieben sind und schließlich auch solche, die unmittelbar oder nach ein paar Wochen mit neuen Ideen ein bisschen Umsatz zurückerobern konnten.

Zunächst wurde allerorten grundgereinigt und renoviert. Dann betraten die ersten Pioniere die Bildfläche. Die entstand eine Dynamik, die sich gut in der Nähe zur Stadtrevue-Redaktion im Belgischen Viertel beobachten ließ. Was mit dem Little Candia begann, wurde von den umliegenden Restaurants aufgenommen und weiterentwickelt: einfache Gerichte, gern Frittiertes, und die Fenster zugeklebt mit Angeboten, Botschaften und Sicherheitshinweisen.

Andere Anbieter im Veedel entwickelten schnell Ideen, die über eine Verlagerung des regulären Angebots an die Eingangstüre hinausgingen, etwa das auf Zetteln quer durch die Innenstadt beworbene Cocktail-to-go-Format des »Little Link«.

Das Außer-Haus-Geschäft, ob als Bringdienst oder Take-away, ist eine Herausforderung für Betriebe, in denen derartige Konzepte bislang unvorstellbar waren. Die Gastgeberschaft wird in einen Essensbehälter oder Karton verlagert. Es gilt, neue Routinen zu finden, neue finanzielle Belastungen auszugleichen und den Abfallberg klein zu halten. Wenn jedoch alle Mitbewerbe­r*in­nen denselben Claim (»Wir sind noch da! Wir machen weiter! Kauft bei uns!«) haben, ist es wichtig, nicht nur into the box, sondern auch out of the box zu denken — und gleichzeitig die eigene gastronomische Botschaft, das Alleinstellungsmerkmal, nicht aus den Augen zu verlieren.

Was verspricht Erfolg? Ein Abverkauf des gewohnten Programms an der Eingangstüre lohnt auf Dauer nur für die Betriebe, die einen sehr guten Draht zu ihren Stammkunden und der Nachbarschaft haben.

Alle anderen tun gut daran, die eigenen Konzepte auf den Kopf zu stellen und innovative Angebote zu entwickeln. Aspekte wie Nachhaltigkeit etwa: von vegetarischen Alternativen über die Auswahl der Produzenten und umweltverträgliche Verpackung bis hin zur klimaneutralen Auslieferung. Wenn sich alle gleichzeitig im Umbruch befinden, besteht die Chance, neu zu denken. Auch was ein Angebot angeht, das Gäste stärker einbindet und über einen Behälter mit lauwarmem Essen hinausgeht, sei es als Video-Tutorial, Live-Workshop oder Kochkonferenz.

Nichts spricht gegen Kooperationen. Trotz Konkurrenz sitzen alle im selben Boot. Sinnvoll ist die Zusammenarbeit von Anbietern, die sich ähnlich sind und die gleiche Klientel ansprechen, aber auch die ganz unterschiedlicher, aber benachbarter Betriebe bis hin zu völlig unerwarteten, neuen Interessengemeinschaften.

Irgendwann werden die Gäste — unter welchen Auflagen auch immer — wieder ins Restaurant gehen können, ihr Essen wieder von Tellern essen und nicht erst um den Block tragen oder quer durch die Stadt fahren. Deshalb gilt es jetzt, Ideen zu entwickeln, die auch nach der Krise funktionieren, die weiterentwickelt oder angepasst werden können. Im gegenwärtigen Vakuum besteht die Chance, alle Gewohn- und Gewissheiten, eingespielten Prozesse und bewährten Angebote auf den Prüfstand zu stellen. Wer dies zu nutzen weiß — entsprechende finanzielle Ressourcen vorausgesetzt —, kann sogar gestärkt aus der Krise hervorgehen.