Glücklich, aber pleite: Tessa Thompson, LaKeith Stanfield

Sorry to Bother You

Boots Riley überwältigt in seinem Debütfilm mit Ideenreichtum und visueller Verspieltheit

Keinen deutschen Kinostart zu bekommen ist die eine Sache, doch eines der innovativsten Regiedebüts der späten 2010er Jahre wurde hierzulande nicht einmal auf DVD oder Blu-ray veröffentlicht. »Sorry to Bother You« von Boots Riley hat 2018 auf der anderen Seite des Atlantiks hohe Wellen geschlagen, blieb hierzulande jedoch völlig unerwähnt. Zumindest Amazon Prime Video hat ihn aber mittlerweile im Programm.

Der Afroamerikaner Cassius Green lebt zwar in einer glücklichen Beziehung, ist jedoch so abgebrannt, dass er in der Garage seines Cousins wohnen muss. Die Geldnot treibt ihn dazu, in einem Callcenter anzuheuern, um sich als Telefon-Hausierer zu verdingen. Nach gewissen Anfangsschwierigkeiten gibt ihm ein Kollege den entscheidenden Tipp: Er müsse seine Stimme »weiß« klingen lassen, sie also von allen afroamerikanischen Eigenheiten bereinigen. Wie sich herausstellt, hat Cassius ein ausgeprägtes Talent dazu, »weiß« zu klingen, und schon bald stellt sich beruflicher Erfolg ein, der auch von seinen Vorgesetzten nicht unbemerkt bleibt.

Was zunächst wie eine Satire auf die gelinde gesagt komplizierten Beziehungen zwischen dem weißen und dem schwarzen Amerika anmutet, entwickelt sich schnell darüber hinaus. Denn das Verfremdungsmittel der »weißen Stimme«, für die Hauptdarsteller Lakeith Stanfield von dem weißen Komiker David Cross synchronisiert wurde, ist erst der Anfang: Von da an schlägt die Story abrupte Haken und verschreibt sich einem zusehends eskalierenden Surrealismus mit dystopischen Zügen, um schließlich in vollem Gallop als Science-Fiction-Groteske zu enden. In seiner visuellen Verspieltheit und dem überbordenden Ideenreichtum erinnert Rileys Debüt an Frühwerke von Spike Jonze oder Michel Gondry, stellt sein Können jedoch in den Dienst einer bitterbösen Kritik an den Auswüchsen des Spätkapitalismus. Denn noch viel mehr als den Rassismus in der US-Gesellschaft, nimmt Regisseur Riley die Klassenunterschiede zwischen Arm und Reich ins Visier.

Dass der Film ein Erstlingswerk ist, ist ihm anzumerken. Zuweilen lässt sich Riley etwas zu sehr von seiner Begeisterung für filmische Ausdrucksmöglichkeiten davontragen. Gerade zum Ende hin wird er zunehmend undisziplinierter und zwängt im Zweifel lieber eine Idee zu viel als zu wenig in seine Erzählung. Dennoch kann man schon gespannt sein, was er sich nach »Sorry to Bother You« einfallen lassen wird.

(dto) USA 2018, R: Boots Riley, D: Keith Stanfield, Tessa Thompson, Armie Hammer, 112 Min. Als Stream erhältlich bei Amazon Prime Video