Mal nicht als Inspektor: Joachim Fuchsberger (l.) in »Hotel der toten Gäste«

Gruseln für Europa: Vor 60 Jahren begann die Edgar-Wallace-Welle

Out of the past – Filmgeschichte auf Kölner Leinwänden

Am 4. September 1959 nahm mit der Uraufführung von Harald Reinls »Der Frosch mit der Maske« der bundesdeutsche Zyklus von Edgar-Wallace-Verfilmungen seinen Anfang — mit einer mehrheitlich dänischen Produktion (Rialto Film), weswegen es eigentlich richtiger wäre trotz deutscher Schauspieler und österreichischer Regie über »Frøen med masken« zu sprechen. Aber erst im folgenden Jahr, vor 60 Jahren also, wurde Wallace wirklich zu einem Kinophänomen: Mit Jürgen Rolands »Der rote Kreis« und Reinls »Die Bande des Schreckens« lancierte die im August gegründete bundesdeutsche Tochter von Rialto Film zwei weitere Wallace-Adaptionen, während die Kurt-Ulrich-Film GmbH versuchte, mit Karel Antons »Der Rächer« auf den Zug aufzuspringen.

Interessant ist, dass im gleichen Jahr in Großbritannien völlig unabhängig von den hiesigen Aktivitäten die Firma Merton Park mit der Produktion ihrer »Edgar Wallace Mysteries« begann — die fast wie ein Gegenentwurf zu den hiesigen Arbeiten wirken. Im Vergleich fällt auf, dass man sich in Deutschland mehr für den Schaueraspekt interessierte als den Kriminalfall und seine Lösung. Bezeichnend ist, dass sich unter den britischen »Edgar Wallace Mysteries« keine Adaption eines Wallace-Texts findet, dessen Verfilmung für das BRD-Publikum dieses spezielle Stück Kinokultur symbolisiert. Nur in eher untypischen Werken, klassisch gestalteten Thrillern wie Reinls »Der Fälscher von London« (1961) oder der britischen Koproduktion »Das Verrätertor« (1964) von Freddie Francis, kommt der hiesige Zyklus seinem Insel-Pendant recht nahe.

Während die britische Serie ein letztlich heimisches Phänomen blieb, sieht man ab von TV-Verkäufen vor allem in die USA, entwickelte sich der von Anfang an für den internationalen Markt (mit)-gedachte BRD-Zyklus zum Schlüssel für eine europäische Idee von Kriminalfilm: Beispiele wären George Lautners Serie um den Agenten Théobald Dromard genannt »Monocle« (1961-64) bis hin zum in den letzten Jahren als Retrophänomen so beliebten Giallo-Genre (1963 bis in die frühen 80er Jahre), in dessen Strom die Wallace-Welle ausläuft.

So ziemlich alle scheinbar lokal spezifischen Spannungskino-Spielarten lassen sich mit dem Wallace-Zyklus und seinen Epigonen verbinden. Zum Beispiel auch die Mischung aus Krimi und Schlagerfilm, wie die gerade auf Blu-ray erschienene Kuriosität »Hotel der toten Gäste« (1965) von Eberhard Itzenplitz demonstriert. Der Edgar-Wallace-Komplex der 60er Jahre verkörpert wie wenig anderes, was das mal war: europäisches Kino.

Hotel der toten Gäste. D/E 1965, R: Eberhard Itzenplitz, D: Joachim Fuchsberger, Karin Dor, Wolfgang Kieling, 96 Min.