Beim Brandanschlag auf eine Asylunterkunft 1980 wurde Đỗ Anh ermordet. Das Bild zeigt seine Mutter Lân Đỗ Mui | Foto: Jasper Kettner

Die Lücke 2.0

Das Schauspiel Köln zeigt zwei Projekte zur Aufarbeitung des rechtsextremen Terrors

Es wird keine Premierenparty geben, aber die Veröffentlichung eines spannenden Hörstücks samt Online-Ausstellung: Vor 14 Jahren war der Nagelbombenanschlag in der Keupstraße, vor sechs Jahren die Premiere seiner Aufarbeitung am Schauspiel Köln »Die Lücke«: Eine Sternstunde des dokumentarischen Theaters, da die bis dahin verschlossene, versunsicherte und traumatisierte Community um die Keupstraße erstmals aktiv mit­wirkte. Auch wenn es in den letzten Jahren stiller um die Muster-Kooperation von Theater und Viertel wurde, machen Ismet Büyük, Ayfer Sentürk, Demir, Kutlu Yurtseven, Keupstraßen-Zugehörige und Über­lebende des Attentats auch bei der Neuauflage »Lücke 2.0« wieder mit. Spannend zu hören, wie es ihnen seitdem erging. Zwei Jahre nach Ende des NSU-Prozesses und kurz nachdem der 3000-seitige Schuldspruch ver­öffent­licht wurde, ahnt man: nicht so toll. Immer noch werden die Stimmen der Betroffenen zu wenig gehört, ihre Gesichter zu wenig gesehen.

Noch lange scheint die Auseinandersetzung mit dem NSU nicht abge­schlossen — im Gegenteil, rechtsradikale Netzwerke zeigen sich, rassis­ti­sche Anschläge finden in Deutschland schon fast regelmäßig statt, siehe Hanau oder Halle. Und was ist aktuell mit dem in Köln geplanten Mahnmal? Wie kann man mit Einwanderwurzeln in Deutschland heut­zu­tage ohne Angst leben? Intensive Interviews wurden im Kölner Schauspiel-Corona-Lockdown geführt. »Wir wollen vom lokalen Ereignis in seine globale Bedeutung gehen«, sagt Dramaturgin Stawrula Panagiotaki: Was hat sich in Deutschland in den letzten sechs Jahren geändert, wo stehen wir in Sachen Rechtsextremismus? Was wurde gelernt, was erinnert? Und was ist mit den Leerstellen, die bleiben — siehe etwa die Rolle von Verfassungs­schutz und Polizei?

Im Foyer des Depots hätte währenddessen die Ausstellung »Die Ange­hörigen« stattfinden sollen, das wird in der jetzigen Zwangspause umgebaut. Im Netz jedoch erhält die Fotoserie von Jasper Kettner und Ibrahim Arslan, selbst Überlebender des Brandanschlags von Mölln, eine weitere Dimension: Sie gibt den Menschen, die mit dem Verlust naher Menschen durch rassistische Gewalt leben müssen, nun Gesicht und Stimme zugleich.

Online ab dem 9.6. auf schauspiel.koeln, auch auf spotify und audible abrufbar

Die Corona-Krise geht auch an der Stadtrevue nicht spurlos vorbei. Auch uns sind wichtige Einnahmen weggebrochen. Auf stadtrevue.de/support könnt ihr uns unterstützen. Danke!