Tasten wie die Stufen einer Rolltreppe: Shaw & Grossfeldt | Foto: Luna Grüsgen

Das hypnotisierte Klavier

Mitten im Stillstand erscheint mit »Klavier« ein bemerkenswert ungewöhnliches Album aus der Kölner Elektronik-Szene

Bas Grossfeldt ist das musikalische Alter-Ego des Kölner Künstlers und Programmmachers (Jaki) Sören Siebel, dessen Hintergrund eigentlich Installationen, Choreographien und Performances ausmachen. Als Bas Grossfeldt legt er auf und produziert elektronische Klänge. Nun bringt er als Teil von »Shaw & Grossfeldt« das Album »Klavier« heraus. Es ist seine Zusammenarbeit mit dem Briten Jas Shaw, Synthesizer-Koryphäe und eine Hälfte des weltweit erfolgreichen Duos Simian Mobile Disco. Wir haben uns mit Sören resp. Bas über den ungewöhnlichen Entstehungsprozess, die Kooperation zweier Künstler und ein besonderes Klavier, dessen Tasten sich wie von Geisterhand bewegen lassen, unterhalten.

Wie ist es zur Zusammenarbeit zwischen Jas und dir gekommen?

Wir haben uns kennengelernt, als wir zusammen im Gewölbe spielen sollten, das war im Oktober 2017. Shumi (Booker und Resident-DJ im Gewölbe, Anm. d. Red.) hatte Jas ein Demo von mir geschickt, der davon total begeistert war. Als er als Simian Mobile Disco im Gewölbe auflegen sollte, hat Shumi mich dazu gebucht. Dabei entstand die Idee, eine gemeinsame Studiosession in Köln einzubauen.

Das Album besteht fast nur aus Sounds, die ihr mit einem »Yamaha Disklavier« aufgenommen habt. Dabei war das eigentlich gar nicht der Plan. Wie habt ihr euch vom Instrument inspirieren lassen? Hat dieser spontane Improvisationsansatz eure Arbeit maßgeblich geformt?

Am Anfang war ich ganz schön aufgeregt, weil ich noch nie mit anderen im Studio zusammengearbeitet hatte. Und dann direkt mit so jemandem? Dass wir dann aber das Disklavier im Studio entdeckten und uns für das besondere Instrument anstatt der Jam-Session auf den mitgebrachten Synthesizern entschieden, war Auslöser für die Freestyle-Zusammenarbeit, bei der es sowohl zwischenmenschlich als auch künstlerisch sofort geklickt hat. Dieser Flow im Arbeitsablauf hat sich über den gesamten weiteren Bearbeitungsprozess hingezogen. Ich hab mir zwar technisch viel von Jas abgeschaut, das ist toll, aber auf einer künstlerischen Ebene war es immer eine super Balance. Man muss dazu sagen, dass es Jas schon seit über zwanzig Jahren gewöhnt ist, mit den unterschiedlichsten Leuten zusammenzuarbeiten und ein extrem umgänglicher und offener Mensch ist. Das hat es natürlich einfach gemacht.

Konkret — wie muss man sich euch gemeinsam bei den Aufnahmen im Studio vorstellen?

Fast alle Sounds, die auf dem Album hörbar sind — mit Ausnahme vielleicht der Kickdrum —, sind tatsächlich Sounds, die wir vor Ort von dem Disklavier aufgenommen hatten. Die haben wir im Studio schon stark analog verfremdet und später weiter verarbeitet. Einer von uns hat das Klavier über einen Sequenzer angesteuert, und der andere hat unten mit den Händen oder Gegnständen gegen die Saiten gedrückt. Dadurch hat sich eine ganz eigene Dynamik ergeben, eine sehr spannende Aufnahmesituation!

Und die Post-Production?

Ich habe erste Skizzen gemacht, dann haben wir immer wieder in Jas’ Studio in London daran gearbeitet oder uns Sachen hin und her geschickt. Das hat sich lange hingezogen, weil wir beide viel beschäftigt waren, und Jas dann die schwere Krankheitsdiagnose Amyloidose (seltene Stoffwechselerkrankung, Anm. d. Red.) bekommen hat. Er musste sich einer Therapie unterziehen, als es ihm dann irgendwann wieder besser ging, konnten wir weiterarbeiten. Fertiggestellt haben wir das Album Ende 2019.

Ein langwieriger Prozess! Auf der fertigen Aufnahme mischen sich ruhige Passagen mit intensiven, auch dancefloor-tauglichen Stücken. Alles wirkt dennoch wie aus einem Guss und organisch gewachsen. Habt ihr ein bestimmtes Klangbild verfolgt, ein spezielles Konzept? Wolltet ihr etwa eine Dubtechnoplatte produzieren?

Ein Konzept gab es nicht — und es ist ja auch bei weitem keine Dubtechnoplatte geworden, sondern eher »Piano-Studies«, wie es Ben UFO mal in seiner Radio-Show sehr schön treffend gesagt hat. Wir haben einfach diese Stücke gemacht. Der erste und letzte Track sind ganz »rohe Aufnahmen«, nur das Klavier. Die anderen sind nachbearbeitet, also richtig ausproduziert worden. Dadurch, dass wir bei der Aufnahme ein bisschen auf die Reverb-Pedale gedrückt und auch noch die Saiten angefasst haben, sind wir zu recht dubbigen Sounds gekommen, obwohl wir überhaupt keine weiteren Effektgeräte benutzt haben! Aber auch das Rhythmische ist uns total wichtig. So ein Disklavier ist über elektronische Signale ansteuerbar, ohne selbst die Tasten von Hand spielen zu müssen. Deshalb kommen ganz andere Melodien und Akkorde zusammen. Das ist hier und da auf dem Album fast schon polyrhythmisch geworden. Wir haben sicher nicht das Rad neu erfunden, aber es ist ein sehr individueller Sound, den wir extrem spannend finden.

Tonträger: »Klavier« von Shaw & Grossfeldt erscheint am 5. Juni auf Drone

Die Corona-Krise geht auch an der Stadtrevue nicht spurlos vorbei. Auch uns sind wichtige Einnahmen weggebrochen. Auf stadtrevue.de/support könnt ihr uns unterstützen. Danke!