In der Einwegstraße
Man trägt sein Essen in Take-away-Boxen nach Hause, hat ein kleines Plastikfläschchen mit Desinfektionsmittel immer griffbereit und verwendet zum Einkaufen Einmal-Handschuhe. Im Corona-Alltag haben Einwegverpackungen und Wegwerfprodukte für viele Menschen an Bedeutung gewonnen. »Die Coronazeit wirft uns in einigen Punkten zurück, wo es schon selbstverständliche Alternativen gab«, sagt Bettina Brockmann-Heym. Brockmann-Heym betreibt mit ihrer Geschäftspartnerin Ivana Louis zwei Unverpacktläden in Köln. Bei den »Veedelskrämern« in Ehrenfeld und im Agnesviertel gibt es Lebensmittel und Haushaltswaren ohne Verpackung — von Spirelli-Nudeln über Feigensenf bis hin zum Geschirrspülmittel. In den vergangenen Jahren sind Konsumenten immer sensibler geworden bei der Vermeidung von Müll und Plastik. Produzenten und Handel reagierten, sogar Discounter gaben vor, weniger Verpackungsmüll produzieren zu wollen. Wird Corona nun zum Rückschritt für die Zero-Waste-Bewegung?
»Soweit würde ich Stand heute nicht gehen«, sagt Bettina Brockmann-Heym. »Aber ich erlebe schon eine Unsicherheit bei den Menschen, ob etwas hygienisch einwandfrei sein kann, wenn es nicht eingeschweißt ist.« Brockmann-Heym möchte ihren Kunden diese Unsicherheit nehme, und das gelänge meistens, berichtet sie. Zudem seien auch Neukunden in ihre Geschäfte gekommen. »Einige haben erzählt, dass sie schon länger mal bei uns einkaufen wollten, aber erst jetzt die Zeit gefunden haben.«
Laut den städtischen Abfallwirtschaftsbetrieben (AWB) ist das Müllaufkommen in Köln seit Beginn der Coronakrise zwar nicht grundsätzlich angestiegen, aber es fanden im Zeitraum des Lockdowns erwartbare Verschiebungen statt. »Die Menge an Hausmüll hat sich leicht erhöht«, sagt Cordula Beckmann von den AWB. Bundesweit prognostiziert die Deutsche Gesellschaft für Abfallwirtschaft (DGAW) für 2020 etwa 2,3 Mio. Tonnen zusätzlichem Hausmüll, ein Steigerung um knapp fünf Prozent. Demgegenüber, berichtet Beckmann, seien in Köln die Mengen im Gewerbebereich in den Monaten März und April um 40 Prozent gesunken. Wer zuhause arbeitet und kocht, macht seinen Müll eben auch im eigenen Haushalt. Abgenommen habe erwartungsgemäß auch der sogenannte Streumüll, etwa in den Parks. »Interessant ist, dass die Papierkörbe auf der Straße gut gefüllt sind, weil die Menschen jede Gelegenheit nutzen, sich im Freien zu bewegen«, so Beckmann.
Auch Bettina Brockmann-Heym vom Unverpacktladen »Veedelskrämer« sieht Herausforderungen für die Gastronomie. »Natürlich gibt es umweltverträgliche Alternativen für das Take-away-Geschäft, aber die sind eben auch teurer«, sagt Brockmann-Heym, die früher selbst in der Gastronomie tätig war. Sie rechnet damit, dass viele Gastronomen, die kurzfristig ins Außer-Haus-Geschäft einsteigen, auf Styroporverpackungen, Plastikbesteck und Plastiktüten zurückgreifen. Dabei gibt es neben umweltverträglichen Einwegboxen auch Anbieter von Mehrweg-Systemen wie das Kölner Start-up Vytal, von dem derzeit 30 Kölner Gastronomen ihre Verpackungen beziehen. Doch Mehrweg hat es in Zeiten von Corona schwer, das musste Bettina Brockmann-Heym auch privat feststellen. Als sie sich am Büdchen mit einem Kaffee aus ihrer eigenen Tasse versorgen wollte, wurde ihr nur ein Einwegbecher angeboten. Der Grund: die coronabedingten Hygienevorgaben.