»Köln ist relativ reich«

Die Kommunen müssen nach Corona investieren, meint Leon Wans­leben vom Max-Planck-Institut für Gesell­schafts­forschung

Wie schlimm wird die ökonomische Krise durch Corona werden?

Die Corona-Krise verläuft nicht nach dem ökonomischen Lehrbuch, weil sowohl die Nachfrage als auch das Angebot wegen der Schließungen eingebrochen ist. Zwei Entwicklungen sind bedenkenswert. Zum einen werden wir einen mittelfristigen Anstieg der Arbeitslosigkeit sehen, die jetzt schon höher ist als bei der Finanzkrise 2008. Und es wird eine neue Schuldenkrise in der Eurozone geben, samt der damit zusammen­hängenden Verteilungs­konflikte. Deutschland steht verhältnis­mäßig gut da, aber in Südeuropa kommt noch dazu, dass die Wirtschaft wegen der Austeritäts­politik nicht wieder das Niveau von vor der Finanz­krise erreicht hat. Überr­aschend ist für mich, dass die Börsen­werte bereits wieder stark angestiegen sind.

Welche Maßnahmen wären sinnvoll, um die Krise abzumildern?

Man kann über staatliche Kredite Liquidität für Unternehmen ermöglichen. Das Problem ist, dass man dabei insgesamt die Schuldenlast erhöht. Schulden reduzieren aber den Konsum oder sind ein Hemmnis für Investitionen. Besser wäre es, der Staat würde in manchen Bereichen als Eigentümer auftreten. Ein europäisches Konjunkturprogramm wäre sinnvoll. Und wenn man Steuern senkt, um die Nachfrage anzukurbeln, sollte dies zuerst für niedrige Einkommen geschehen, damit man auch eine Umverteilung erreicht.

Kommunen sind in dieser Krise besonders belastet, etwa durch die Kosten bei den Gesundheitsämtern. Sie tragen auch eine hohe Last bei den Sozial­ausgaben. Wie kann man ihnen helfen?

Die Kommunen nehmen weniger Gewerbesteuer ein, auch ihr Anteil an der Einkommens- und Mehrwertsteuer sinkt. Dazu kommt noch der Rückgang an Gebühren. Wenn diese Krise in Deutschland zu einer ernsten Finanz- und Fiskalkrise wird, dann auf dieser Ebene. Der Präsident des Städtetages hat deshalb einen Rettungsfonds für die Kommunen gefordert.

Finanzminister Olaf Scholz möchte dieser Forderung gerne nachkommen. Es gibt aber Konflikte... Die kommunale Ebene ist in Deutschland von Bund und Ländern abhängig, die die Mittel bereitstellen: Welchen Anteil an Einkommens- und Mehrwertsteuern bekommen die Kommunen? Wie finanziert der Bund soziale Hilfeleistungen?

Die Kommunen haben da wenig Spielraum. Manche Kommunen in Bayern oder Baden-Württemberg kommen damit gut klar, weil die Gewerbesteuern dort hoch sind. Für viele andere gilt das nicht. Dieser Konflikt existiert seit 20 oder 30 Jahren, in denen Bund und Länder auf Kosten der Kommunen einen ausgeglichenen Haushalt angestrebt haben. Die Pandemie bringt das noch einmal auf den Punkt.

Woher soll das Geld für diesen Rettungsfonds kommen?

Der Bund kann Kredite aufnehmen. Die Zinsen sind zurzeit negativ, Deutsch­land hat nicht viele Staatsschulden. Das Argument dagegen ist immer, dass man die Kommunen belohnt, die nicht gut gewirtschaftet haben. Aber dieses Argument ist nicht stichhaltig. Die Kommunen müssen viele Pflichtaufgaben übernehmen und haben wenig Spielraum, um ihre Einnahmen zu erhöhen.

Gibt es denn etwas, was die Stadt Köln da tun kann?

Köln hat ein Potenzial: Es ist durch die kommunalen Unternehmen relativ reich. Wenn man dort sinnvoll investiert, stärkt es die Wirtschaftskraft und hätte positive Effekte für die Infrastruktur und damit auch für die Bürger. Die Stadt könnte so auch neue Einnahmen generieren, etwa über eine städtische Wohnungsbaugesellschaft. Investitionen wirken jedoch immer langfristig, wie man an der mühsamen Restaurierung der Mülheimer Brücke sieht. Kurzfristig ist der Bund gefordert.

Im Hintergrund der Corona-Krise verschärft sich die Klimakrise. In den USA und Großbritannien wird schon länger ein »Green New Deal« diskutiert: ein großes öffentliches Investitions­programm für den ökologischen Umbau der Wirt­schaft. Ist die Krise nicht der richtige Zeitpunkt, auch in Deutschland auf die Agenda zu setzen?

Ohne die kommunale Ebene wäre das nicht möglich. Die meisten Investitionen finden auf kommunaler Ebene statt, aber wir haben in den letzten Jahren einen massiven Wertverlust bei kommunaler Infrastruktur erlebt. Wenn da jetzt investiert wird, muss man neue Anforderungen berücksichtigen. Soziale Anforderungen wie Inklusion spielen dabei eine Rolle, aber natürlich auch die Ökologie. Ein Green New Deal wäre eine gute Idee, wenn man die kommunalen Unternehmen einbindet. Sie sind meistens in den Bereichen Energie, Wasser oder Öffentlicher Nahverkehr tätig, die dafür zentral wären. Aber die Kommunen bräuchten mehr Unterstützung, etwa eine bessere strukturelle Finanzausstattung durch den Bund.

Das ist in Köln ja auch heute schon ein Problem. Wie realistisch ist es denn, dass überhaupt ein Investitionsprogramm politisch umgesetzt wird?

In der Öffentlichkeit gibt es eine große Zustimmung für öffentliche Investitionen, auch den meisten Parteien ist das Problem bewusst, den Gewerkschaften auch. Aber viele Ansätze versickern auf der Ebene zwischen Bund, Ländern und Kommunen, auch weil die reichen Kommunen im Süden Deutschlands dort blockieren.

Die Corona-Krise geht auch an der Stadtrevue nicht spurlos vorbei. Auch uns sind wichtige Einnahmen weggebrochen. Auf stadtrevue.de/support könnt ihr uns unterstützen. Danke!