Sie ist ein Model und sie sieht gut aus: Maskenträgerin im Karnevalslook 2021

Abstand von jeder Vernunft

Gefeiert wird auf jeden Fall! Das ist die Botschaft, die Kölner Karnevalsfunktionäre für die Corona-geschädigten Jecken haben

Karneval in Heinsberg — war da was? Ja, schon. Aber wenn man in einem Bauernkaff alles vermasselt, muss das ja nicht unser Problem sein, hier in der einzigen maßgblichen Hochburg Kölle.

So dachten wohl das Festkomitee und andere Tollitäten, und dann verschickten sie Anfang Mai eine Mitteilung mit der Überschrift »Karneval 2021 findet statt — aber anders«. So viel prophetische Kraft also liegt den Funktionären im Blut beziehungsweise im Kölsch. Oder ist es bloß Trotz und Verhöhnung aller epidemiologischen Grundsätze? Jedenfalls ist man gewiss, »dass es eine Session auch im kommenden Jahr geben muss und wird«.

Wenn Heinsberg als »deutsches Wuhan« firmiert, dann kann Köln noch das »deutsche New York« werden — klingt auch glamouröser als bloß »nördlichste Stadt Italiens«, obwohl das ja auch nicht unpassend wäre.

Derweil basteln Ehrenämtler in den Vereinen schon an Kostümen. Perücken, die den Just-out-of-bed-Style des Professor Drosten aus Berlin nachbilden, sollen schon zur Subkription stehen. Auch an der Imitation der Karl-Lauterbach-Haartracht wird herumgedoktert, umso mehr, als der Epidemiologe und Gesundheitsexperte sein Markenzeichen, die Fliege, eingemottet hat. Wichtiger Hinweis für alle Suff- und Sex-Touristen aus dem Umland: Haie-Trikot und SWAT-Uniform bleiben bitte in Heinsberg, der zeitgemäße Karnevals-Rowdy zwängt sich in ein Virus-Kostüm, das hält im Straßenkarneval schön warm und kaschiert jeden Bierbauch.

Nun ist Karneval auch ohne Corona eine ernste Angelegenheit. Aber mit Corona umso mehr. In der karnevalistischen Kampfansage vom Mai heißt es einleitend darum zunächst beschwichtigend, der »Schutz der Gesundheit hat oberste Priorität« — ja, der Gesundheitsschutz hat oberste, aber eben nicht alleroberste Priorität. Denn vor ihm beschwören die Frohsinnsfunktionäre eine ominöse »soziale Kraft« des Karnevals und kündigen zudem »kreative Lösungen für Vereinbarkeit von Abstandsregeln und Brauchtum« an. Nun benötigen wir aber gar keine kreativen Lösungen — die sollte man eher den Büttenrednern nahelegen — , sondern gute Lösungen. Aber genauso wie gute Witze, bei denen man viel zu lange grübeln muss, sind auch gute Lösungen bloß Spaßbremsen. Jedenfalls, wenn man unter Spaß ungespülte Kölschgläser und Bützje im Aerosolen-Nebel versteht.

Für das Festkomitee ist Karneval ein »immaterielles Kulturerbe«, davon will man nicht lassen. Gut möglich nur, dass Corona auf diesem Weg jedoch zum materiellen Naturerbe wird. Die Warnungen der Epidemiologen kann man sich allerdings mit Kölsch schöntrinken. Wie singen die Bläck Fööss noch gleich: »Mer bruche keiner, dä uns sät, wie mer Fastelovend fiere deit...«

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