Auf dem Weg ins Offene: Luise Weidehaas

Es lebe die Zärtlichkeit

Die Songwriterin Luise Weidehaas entlockt der deutschen Sprache neue Töne

Dem Singer-Songwriter-Genre noch ein paar frische Facetten abringen zu wollen, ist natürlich ein schwieriges Unterfangen. Wurde nicht jedes Lied schon geschrieben, jede Emotion bereits tausendfach wiedergekäut? Und sind die alten Helden nicht ohnehin unerreichbar?

Luise Weidehaas, die nach Jahren des behutsamen Karriereaufbaus im Frühjahr mit »Shore« ihr Debütalbum herausgebracht hat, setzt in Sachen Alleinstellungsmerkmal bei der Sprache an. Dass sie auf Deutsch singt, ist hierzulande 2020 wohl eher die Norm als die Besonderheit — wie sie es macht, ist jedoch herausragend: »Melody is king«, sagt sie selbst, und dass sie nicht will, »dass dieser Ansatz durch deutsche Texte zunichtegemacht wird«. Und so nutzt sie die Sprache eben nicht auf die gewohnte, stakkatoartig fragmentierte Weise, sondern auf eine deutlich musikalischere Art.

Im Englischen ist es gang und gäbe: Silben werden ausgesungen, lustvoll gedehnt und mit melodiösen Schlenkern versehen — der Text hat sich dem Duktus der Melodie zu fügen. Sobald deutsche Texte ins Spiel kommen, verkehren sich die Verhältnisse: Der Text steht im Vordergrund, die Musik dient der Vertonung. Was schade ist, da dies dem Pop eine seine große Stärken nimmt: die Ambivalenz.

Luise Weidehaas hingegen schöpft stimmlich aus den Vollen, ohne dabei in Manierismen zu verfallen, die bei vielen deutschsprachigen Soulsänger*innen so aufgesetzt klingen. Ihre Attitüde ist zurückhaltend, leise und zart. Auch textlich wählt die in Düsseldorf und Köln lebende Musikerin eine interessante Perspektive, denn selten kreisen die Songs um das eigene Ich: »Meine ersten Gedichte waren noch eher selbstreferenziell«, sagt sie, »in den Liedern ist dies dann immer mehr einer Naturhuldigung gewichen, einer Faszination für Landschaften, fremde und auch nahe Orte in Beziehung zu uns.«

Von einer etwas altertümlichen Aura ist die Sängerin aber schon umgeben — was nicht nur am Klang ihres Namens liegt, sondern auch an den Arrangements: Nahezu alle Lieder basieren auf gezupfter Nylonsaiten-Gitarre und strahlen eine fast schon stoische Entspanntheit aus. Kleine Tupfer von Klavier, Effektgitarre und Streichern bereichern das Klangbild behutsam und sorgen für ein edles Ambiente. Generell scheint die Sängerin aber nichts so schnell aus der Ruhe bringen zu können — oder um es mit einem der größten Klischees der Naturlyrik zu sagen: Sie ist und bleibt ein Fels in der Brandung.

Tonträger: Luise Weidehaas, »Shore« (Point Reyes Records), bereits erschienen