Freunde gesucht, Lärm gefunden: Friends of Gas, Foto: Fabian Berger

Undramatisch dahingeschleudert

Viel Krach, wenig Text — die Münchener Postpunk-Band »Friends of Gas«

Für Künstler*innen ist es meist eine Pflichtaufgabe: An Interviewtagen werden nicht selten zehn Gespräche zu je 30 Minuten geführt, danach oder mittendrin noch Fotos geschossen. Journalist*innen fragen, was man sich bei der Platte gedacht habe und ob es die »bisher intimste Auseinandersetzung« sei — nichts Neues. Auch bekannt sind jene leuchtenden Beispiele des Scheiterns, wo eine der beiden Seiten die Spielregeln missachtet und das Projekt »Interview« unterläuft: Von Kinski bis Tocotronic gibt es unzählige Beispiele für den Regelbruch.

Als es darum ging, Friends Of Gas zu interviewen, war so etwas nicht zu befürchten oder abzusehen. So hart, fast kämpferisch-brutal, (selbst-)zerstörerisch der Post-Punk der fünf Münchner*-innen klingen mag, so sympathisch uneitel treten sie auf. Martin Tagar, der mit den wuchtigen, langen Basswellen zum jüngsten Gericht ruft, sieht aus wie ein netter Waldschrat. Veronica Burnuthian und Thomas Westner quetschen aus ihren Gitarren Grunge-Krach und Kraut-Kontrapunkte und klingen wechselweise wie die Butthole Surfers oder Sonic Youth oder eine unbekannte Band auf der Grenze zwischen CANs Millionenspiel und Steve Albini. Böse und laut und doch meistens groovy. Als könnte der Horror des Alltags doch noch die Sandale gegen schicke Tanzschuhe tauschen. Davor und dazwischen Erol Dizdar an den treibenden Drums und natürlich Nina Walser als uneheliches Kind von Lydia Lunch und Damo Suzuki — gebadet in Four Roses Bourbon. Rockig, aber nicht on the rocks. Und gleichzeitig alles so undramatisch dahingeschleudert — diese Gruppe kann man nicht erfinden, die musste sich suchen.

Hätte es einen Interviewtag gegeben, man hätte sich freuen dürfen. Die Band verspricht ein nettes Stelldichein mit Schwank und Trank und allem Drum und Dran. Doch in Zeiten von Corona gibt es solche Meet’n’Greets selbstverständlich nicht; stattdessen die schnöde, trockene Abfrage per Mail. Als Interviewer ahnt man schon: Die »unknown Unknowns« wird man leider nicht erfahren; jene Anekdoten und Ideen, die man nicht nur nicht kennt, sondern auch nicht weiß, dass man sie nicht kennt. Andererseits werden heutzutage eh alle Interviews gegengelesen und allzu Brisantes oder Konfrontatives meist gestrichen. Das macht aus einem Mail-Interview wenigstens eine ehrliche Nummer. Mit gut formulierten, prägnanten Sätzen, die den Produkt- und nicht den Kunstcharakter einer Platte in den Vordergrund stellen.

Nina Walser von Friends Of Gas sieht das anscheinend anders — erfrischend direkt und unbefriedigend für den Autor dieser Zeilen.

Die erste LP »Fatal Schwach« habt ihr in München, im Kafe Kult (ein Punk und Hardcore-Schuppen) aufgenommen. Für »Kein Wetter« ging es nun ins Studio. Was hat sich für euch geändert? Es hat sich nichts geändert. Wir haben auch »Kein Wetter« live eingespielt, nur woanders und mit jemand anderen. Man will sich ja nicht immer wiederholen und mal was anderes ausprobieren.

Die erste LP entstand zusammen mit Max Rieger, der mit Die Nerven und als All Diese Gewalt im Post-Punk beheimatet ist. Olaf Opal, der diesmal produzierte, hingegen nicht unbedingt. War das für euch eine wichtige Entscheidung, einen anderen Einfluss hinzuzuholen? Nein, Herr Opal hat ja mit allen Musikrichtungen Erfahrung. Und er hat uns auch wenig beeinflusst.

Wie würdest du die Szene in München beschreiben? Kannst du dir erklären, warum Bands wie Pollyester, Candelilla, Kamerakino oder halt ihr vermutlich in keiner anderen Stadt beheimatet sein könnten? Das halte ich für romantisierenden Lokalpatriotismus. Wir und alle anderen genannten Bands könnten auch aus jeder anderen Stadt kommen.

Euer Sound ist häufig äußerst schroff, dissonant, mit vielen Wiederholungen von Patterns, Tönen, Akkorden und Textteilen — ohne je ein »loop« im engeren Sinne zu sein. Wie habt ihr diesen Sound gefunden? Wie kommt ihr darauf? Wie hat sich das entwickelt? Und was bedeutet das für dich als Sängerin und Texterin über Minuten hinweg auf einer Zeile hängen zu bleiben? Naja, also wir machen ja nichts, was es noch nicht gab, das ist jetzt eine etwas ungerechtfertigte Überhöhung. Diese Art zu Reduzieren war ja in den 80ern schon gang und gäbe. Es sind einfach unsere Vorlieben und Einflüsse eingeflossen, das hat sich ganz von selbst entwickelt. Für mich ist es natürlich sehr angenehm, weil ich mir nicht so viel Text merken muss.

Friends Of Gas gilt als ausgesprochen eindrückliche Live-Band. Derzeit könnt ihr entgegen der »natürlichen Mechanismen« der Musik-Szene eure Platte vorerst nicht auf die Bühne bringen. Wie sehr ärgert euch das? Oder könnt ihr dem etwas abgewinnen, dass die Platte erstmal allein stehen muss? Was bedeutet dies denn für euch finanziell, wenn die Live-Gagen ausbleiben? Für mich persönlich ist es nicht so dramatisch, dass die Konzerte verlegt wurden. Und wegen der Finanzen: Wir können eh nicht von der Musik leben, sondern arbeiten alle nebenbei. Deshalb bricht uns das jetzt nicht das Genick. Für Bands, die ausschließlich vom Musikmachen leben, ist es bestimmt hart.

Erst vor einem halben Jahr habt ihr die EP »Carrara« herausgebracht. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den beiden Veröffentlichungen? Wir wollten etwas Spezielles machen, weg vom gängigen Albumformat; und auch keine klassische Single. Die »Carrara« ist von unseren bisherigen Veröffentlichungen meine liebste, eine stimmige, in sich geschlossene Sache, die, finde ich, für sich alleine steht.

Tonträger: Friends of Gas, »Kein Wetter«