Deutscher Filmpreis für die beste Hauptdarstellerin: Helena Zengel in »Systemsprenger« | © kineo Film Weydemann

»Wir bleiben optimistisch«

»Systemsprenger« war der Abräumer der diesjährigen Deutschen Filmpreise — Yvonne Wellie und Jonas Weydemann von der Produktionsfirma Weydemann Bros. im Gespräch

Frau Wellie, Herr Weydemann, »Systemsprenger« hat bei der diesjährigen Verleihung des Deutschen Filmpreises Ende April acht Preise bei zehn Nominierungen gewonnen, unter anderem in der Kategorie für den besten Spielfilm. Was bedeutet dieser Erfolg für Sie?

Jonas Weydemann: Es ist wunderbar, wie der Film seitdem er auf der Berlinale 2019 Premiere gefeiert hat, aufgenommen wird. Dass Zuschauer, Kritiker und die eigene Branche — international wie auch hier in Deutschland — so begeistert und wohlwollend auf einen Film reagieren, ist außergewöhnlich. Und jetzt insgesamt acht Lolas! Das ist sogar in der 70-jährigen Geschichte des Filmpreises Platz 3. Die letzten eineinhalb Jahre werden uns allen immer in Erinnerung bleiben!

Anders sieht es bei dem von Ihnen produzierte Kinofilm »Zu weit weg« aus. Er gehört gewissermaßen zu den Opfern des Lockdowns.

Yvonne Wellie: Der Kinostart dieses Films, der zuvor eine wirklich tolle nationale und internationale Festivalkarriere erlebt hat und der zudem in der Vorauswahl für den Deutschen Filmpreis in der Kategorie »Kinderfilm« war, fand am 12. März mit deutlich über 100 Kopien statt und startete dann ins Nichts, weil genau an diesem Wochenende die Kinos nach und nach schlossen. Das ist nach mehreren Jahren Arbeit natürlich für alle sehr frustrierend und finanziell ein Desaster. Wir hoffen das alles zu einem späteren Zeitpunkt erfolgreich nachzuholen.

Abgesehen von »Zu weit weg« — welche weiteren konkreten Auswirkungen hat das Coronavirus auf Ihre Produktionsfirma?

Weydemann: Als Produzenten haben wir uns auf die Entwicklung und Finanzierung unserer anstehenden Projekte konzentriert, womit wir aufgrund eines breiten Portfolios auch eine Menge zu tun hatten und haben. Schwieriger ist die Situation für sämtliche Projekte, die in diesem Jahr gedreht werden sollen. Da steht die gesamte Planung in einer solchen Situation natürlich Kopf und es ist schwierig, Entscheidungen zu treffen und voranzukommen. Aber wir bleiben optimistisch und gehen davon aus, auch dieses Jahr noch spannende Filme zu drehen, die wir dann nächstes Jahr im Kino genießen können!

Inwiefern beeinflusst die Krise gerade internationale Koproduktionen, für die der Standort Köln ja bekannt ist?

Wellie: Auch hier sind sämtliche geplanten Dreharbeiten vorerst nicht wie angedacht möglich. Die Dreharbeiten zu einem aktuellen argentinischen Film sollten beispielsweise im April beginnen. Das Projekt ist nun auf einen späteren, noch unbestimmten Zeitpunkt verschoben. Das wiederum bedingt, dass der ein oder andere Star möglicherweise keine Kapazitäten mehr hat oder man auf ein neues Zeitfenster warten muss. Auch bei zwei weiteren Koproduktionen hat Corona große Auswirkungen. Ein Dreh ist schon in das Jahr 2021 geschoben worden, eine Koproduktion mit Bangladesch ist gerade in der Postproduktion, von der Teile hier in Köln stattfinden sollen. Da ist es aber für den Regisseur in dieser Situation nicht möglich, mal eben so nach Deutschland zu fliegen, um das hier zu Ende zu führen.

Weydemann Bros. hat Büros in Berlin, Hamburg und Köln. Welche Bedeutung hat der hiesige Standort?

Weydemann: Als Produktionsstandort war und ist Köln immens wichtig für uns. Wir fühlen uns von Anfang an sehr wohl in einem spannenden und vitalen Umfeld von sehr kreativen Produktionsfirmen, mit denen wir im Austausch sind. Mit dem Mediengründerzentrum NRW hatten wir eine großartige Unterstützung im ersten Firmenjahr. Darüber hinaus gibt es viele strategisch wichtige Institutionen und Partner für unsere Projekte vor Ort, allen voran die Film- und Medienstiftung NRW und der WDR.

Welche konkreten Projekte stehen trotz Corona in Zukunft an?

Wellie: Noch dieses Jahr steht der Kinofilm »Niemand ist bei den Kälbern« von Regisseurin Sabrina Sarabi nach dem gleichnamigen Roman von Alina Herbing an. Saskia Rosendahl spielt eine junge Frau, die mit allen Mitteln aus der mecklenburgischen Provinz in die Stadt will.

Weydemann: In der Vorbereitung ist außerdem ein neues Projekt von Damian John Harper, mit dem wir schon zwei preisgekrönte Filme in Mexiko und den USA produziert haben. Jetzt bereitet er ein Brüder-Drama in NRW mit Louis Hofmann in der Hauptrolle vor. Anfang nächsten Jahres ist auch das Regiedebüt der Schauspielerin Aylin Tezel geplant. Zusätzlich arbeiten wir auch an TV-Filmen und Serien.

Jonas Weydemann hat an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) den Studiengang Produktion absolviert. 2012 gründete er mit seinem Bruder Jakob die Firma Weydemann Bros., die Filme und Serien für den ­deutschen und internationalen Markt produziert.

Yvonne Wellie hat an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) im Bereich Film / ­Fernsehen studiert und im Anschluss bei diversen Filmproduktionen als freie Mitarbeiterin gearbeitet. Seit 2015 ist Wellie als Produzentin Teil von ­Weydemann Bros.