Beunruhigend: »The Other Lamb« von Małgorzata Szumowska

Leichen im Keller

Bei den Fantasy Filmfest Nights kann man den Bildern nicht trauen

Früher boten das Fantasy Filmfest und seine Ableger die Chance, jene Art von Konfektionsware im Kino zu sehen, die eigentlich nur für die Heimsichtung gedacht war, aber die große Leinwand entschieden verdiente. Gezeigt wurde etwa das Neueste von kleinen Meistern wie Isaac Florentine, Jesse V. Johnson und Don Michael Paul, die die Fortsetzungs-Nummern am Ende so vieler ihrer Filmtitel als Ehrenzeichen empfinden — und die alle einen neuen Film fertig hätten. Aber wie singt die unvergleichliche Caterina Valente: »Das kommt nie wieder, jeder Tag hat neue Lieder.«

Und wie klingen nun diese neuen Harmonien? Oft genug so kunstsinnig, dass man sie im Wettbewerb eines großen Festivals präsentieren kann. Ein Beispiel wäre »The Intruder«, der im Februar dem Berlinale-Wettbewerb einen dringend nötigen Genre-Akzent verpassen konnte. Der Zweitling der Argentinierin Natalia Meta ist das, was man einen head trip nennt: Eine Erzählung aus der Binnenperspektive einer Figur, die allerhand psychische Probleme hat, weshalb man oft nicht weiß, ob man den Bildern trauen kann. Daher ist auch unklar, ob Protagonistin Inés das einzig sinnvolle getan hat, nämlich sich ihres arschigen Lebensgefährten zu entledigen, oder ob ein gütiges Schicksal ihr die Tat abnahm. Sicher ist, dass sich allerhand Merkwürdiges in Inés’ Kopf abspielt. Die Wesen, welche sich ihrer nachts unter der Bettdecke bemächtigen, sind aber wohl Fantasien aus den Pornos, denen sie als Synchronsprecherin ihre Stimme verleiht. Oder? »The Intruder« versteht Genre als einen Formen- und Motivkasten, aus dem man Elemente in Autorenfilmkunst packen kann, um dieser so Feuer unterm Hintern zu machen.

Ähnliches gilt für Małgorzata Szumowskas überraschend knackig-beunruhigendem Sektenschocker »The Other Lamb« (2019), der letztes Jahr in Toronto Weltpremiere feierte.

Wem Genre als Selbstzweck näher ist, wird fein bedient mit Jason Lei Howdens schrillem, grellem und auch ein bisschen doofem »Guns Akimbo« (2019) sowie mit Lars Damoiseauxs bunt-blutig-verschrobener Zombiekomödie »Yummy«. Noch besser ist allerdings Albert Pintós »Malasaña 32«, der als eine Art Gegenentwurf zu »The Intruder« gut ins Programm passt. Pintós Geisterhaus-Fabel von Landflucht und sozialem Aufstieg zu Beginn der transición, der Übergangszeit Spaniens vom Tod Francos bis zur Etablierung einer stabilen Demokratie, entwickelt sich zu einer feinen Analyse eines Landes, das seine Leichen im Keller nicht so schnell los wird, wie es gerne hätte.

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