Aus der goldenen Ära des dänischen Kinos: Carl Theodor Dreyers »Duskal ære din Hustru«

Umsonst und drinnen: Nationale Filmarchive im Netz

Filmgeschichte auf Kölner Leinwänden

Filmkulturell anspruchsvollen Streaming-Portalen wie MUBI und Criterion Channel wird in diesen Corona-Tagen sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet — als ob die Filmkultur allein auf Plattformen lebte, für deren Nutzung man bezahlen muss. Dabei ist das Netz voller Gratisangebote: Viele Studios und nationale Filminstitutionen machen Werke aus ihren Sammlungen auf diesem Wege digital für alle verfügbar, wenn auch in einigen Fällen ausschließlich in den jeweiligen Landessprachen. Wobei: Früher gehörte es ja mal zum guten Cinephilen-Ton, fremdsprachige Filme ohne Untertitel zu schauen, auch wenn man die jeweilige Sprache nicht beherrschte. Nicht nur, weil es meist die einzige Möglichkeit war, bestimmte Werke überhaupt zu sehen, sondern auch, weil man auf diese Weise genauer hinschaute und so die jeweiligen Arbeiten durch ihre genuin filmischen Qualitäten entdecken konnte.

Wer die Webseite der Filmoteca der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko links liegen lässt, nur weil sie sich komplett in Spanisch präsentiert, verpasst auf jeden Fall etwas. Denn wenn man die Filme anspielt, findet man heraus, dass zum Beispiel die zwei hier verfügbaren Werke des Stummfilmpioniers Gabriel García Moreno, das Actionmelodram »El tren fantasma« (1926) und der Drogenkrimi »El puño de hierro« (1927), mit spanischen und englischen Zwischentiteln ausgestattet sind.

Die Filmoteca-Webseite scheint eher für das Land selbst gedacht als zur Repräsentation im Ausland. Anders geht das Filmarchiv Thailands vor, das sich mit einem eigenen Kanal ins pralle Youtube-Getümmel stürzt. Hier finden sich allerlei Filme mit englischen Untertiteln oder zumindest erklärenden und einordnenden Texten in Englisch. Zunächst sei auf zwei untertitelte Klassiker des Thai-Kinos verwiesen: Die ergreifende Erweckungserzählung »S¯a˙nti-Wīn˙ā« (1954) und »Xiˆ˙ thuy« (1971), eine würzige Mixtur aus Romanze und Remmidemmi. In den goldenen Nachkriegsdekaden der Kinokultur des Landes wurde stumm gedreht, der fertige Film aber von einem Erzähler plus Musikbegleitung live vertont. Wer auf diese sehr spezielle Produktions- und Vorführkultur mal einen Blick werfen will, der sollte das Fischerliebesdrama »Thale ra˙k« (1953) anklicken.

Wahre Perlen gibt es auch in den Bereichen zu entdecken, die von der offiziellen Filmgeschichtsschreibung bestenfalls marginal behandelt werden, etwa stumme Aufnahmen von der ersten Kundgebung der Demokratischen Partei, »[Ka˙¯r prās˙¯ra˙y h¯ās¯eīyng k¯hxng phrrkh Prachāt˙hipa˙tyˇ ph.S¯. 2489]« (1946), die bezaubernde Kurzanimation »H¯etu mh¯ās˙¯crryˇ« (1955) oder, vom gleichen Regisseur, die TV-Werbedokumentation »[Thi˙ydi˙mārū h¯āng thī' mī ba˙ndi˙ū˙leu˙¯`xn h¯æ`ng ræk nı prathes¯thi˙y]« (1964). Untertitel sind hierfür keine verfügbar, aber immerhin Erläuterungen in Englisch. Die gibt es aber für den Trailer zum königlich-sozialrealistischen Musical-Monster »Ngein Ngein Ngein« (1965), in dem Superstar Mitr Cha˙yba˙chā dem Publikum aus dem Tonstudio heraus etwas über den Film erzählt. Als Regel gilt: Wenn neben dem Thai-Titel etwas auf Englisch auftaucht, gibt es zumindest ein paar Zeilen auf Englisch zu lesen.

Das gilt auch für den Youtube-Kanal des 1919 in der Sowjetunion gegründeten Filmstudio Odessa, der um einiges praller gefüllt ist mit Spielfilmen und Fernsehserien als die beiden gerade vorgestellten. Auch hier ist manchmal schwer ersichtlich, welche Filme untertitelt zur Verfügung stehen: Begrüßt wird man mit einer Szene aus dem herrlichen »D’Artagnan i tri mušketera« (1978), einem Evergreen des sowjetischen Fernsehens, den es nur im Original zu geben scheint. Doch scrollt man weiter nach unten, findet er sich auch mit zuschaltbaren englischen Untertiteln.

Gleich mehrere untertitelte Werken werden von Stanislav Govoruhin angeboten, einem der undurchschaubarsten Gestalten des (post-)sowjetischen Kinos und Fernsehens: Als Politiker nach 1991 ein widerlicher Reaktionär, als Regisseur ein Großmeister der entspannt-langmütigen Genre-Toleranz, der selbst bei seinem grimmigen Vigilantenreißer »Vorošilovskij strelok« (1999) nicht die Contenance verlor. Besonders empfohlen sei sein TV-Krimi-Kultwerk »Mesto vstreči izmenit’ nel’zja« (1979). Und dann im Anschluss gleich von Göttin Kira Muratova »Korotkie vstreči« (1968) schauen, ebenfalls mit Singer-Songwriter-Legende Vladimir Vysockij in der Hauptrolle – hier auf dem Höhepunkt seines Pop-Ruhms.

Zur Abrundung seien noch zwei sehr spezielle Websites erwähnt: Auf der Seite der unabhängigen litauischen Kinemathek Nepriklausoma sinemateka finden sich Klassiker des (sowjet)litauischen Dokumentarfilms von Viktoras Starošas’ Bahnbrecher »Nenusimink, Virginijau« (1962) bis hin zu Filmen des jüngsten Meisters dieses Faches, Audrius Stonys. Das dänische Film Institut macht auf stummfilm.dk allerlei Werke des historisch wichtigsten Teils seines nationalen Filmerbes verfügbar. Dazu gehören etwa Carl Theodor Dreyers Komödie »Du skal ære din Hustru« (1925), aber auch erfreulich viel Nicht-Kanonisches wie Robert Dinesens Propagandagrätsche »Mit Fædreland, min Kærlighed« (1915).

Noch mehr als all die hier erwähnten Seiten offeriert Korean Classic Film, der Youtube-Kanal des Koreanischen Filmarchivs, auf dem man sich mit über hundert normalerweise englisch untertitelten Spielfilmen eine solide Grundbildung in dieser aktuell so hoch gehandelter Kinematografie verschaffen kann – dazu vielleicht mehr in einer der kommenden Kolumnen. Damit kann man sich auf jeden Fall auch nach Corona noch gut einschließen.

filmoteca.unam.mx

youtube.com/user/FilmArchiveThailand

youtube.com/user/OdessAnimationStudio/featured

sinemateka.lt/en

stumfilm.dk/en

sinemateka.lt/en