Liebe im Video-Chat: Bahnt sich da was an? Foto: Nikola Lenk, Camill Jammal

Liebe im Ausnahmezustand

Fünf Theater, eine Webserie: »Zeitfüreinander« inszeniert das digitale Dating

Es ist Frühling 2020, die letzte Umarmung ist viele Wochen her, das Nachtleben liegt brach und Social Distancing macht der romantischen körperlichen Annäherung einen Strich durch die Rechnung. Wie Singles trotz dieser Ausnahmesituation versuchen, Liebe zu finden, zeigt die Webserie »Zeitfüreinander« in zwei Staffeln zu je fünf Folgen. Knapp 30 Minuten dauert eine Episode. In den Szenen wird eine digitale Speed-Dating Situation simuliert, in der jeweils fünf Paarkonstellationen sich in einem Video Chat zum ersten Mal sehen und kennenlernen.

Im Laufe der Staffel rotieren die Paare untereinander, sodass jeder einmal miteinander bekannt geworden ist. Das kreiert ein spannendes Roulette von Dynamiken, denn die Figuren sind allesamt eigen und lösen sowohl Sympathie als auch Kopfschütteln aus. Da ist der HNO-Arzt Karsten, der konsequent alle siezt, auch beim Dating nicht von seinem beruflichen Habitus lassen kann und die asexuelle Übersetzerin Mascha mit »Wie geht es uns denn heute?« begrüßt. Dann Emma mit dem Kashmir-Label, die in jedem Gespräch ihrem akribischen Fragekatalog auf dem Klemmbrett folgt, der Biologe Hinnerk, der sich immer mit dem ewig gleichen norddeutschen Trinkspruch verabschiedet oder Meike, die eigentlich nur jemanden für ein Co-Parenting sucht.

Die Hintergründe sind das Bühnenbild, mit denen sich die Figuren charakterisieren lassen, mit denen sie sich manchmal offensichtlich zu inszenieren versuchen. Als Zuschauer*in macht es Spaß, diese Inszenierung zu durchschauen, zu mutmaßen, bei welchem Paar der Funke wohl übergesprungen ist oder woran es gescheitert sein könnte. Mit neuen Kommunikationsformen kommen neue Herausforderungen: Schlechte Internetverbindung, zeitversetzte Übertragung oder technische Schwierigkeiten gehören zur Performance.

Die zehn Schauspieler*innen sind Ensemblemitglieder vom Deutschen Theater Berlin, dem Düsseldorfer Schauspielhaus, dem Staatstheater Nürnberg, dem Residenz Theater München und dem Schauspiel Hannover, die sich für dieses Projekt zu einer Kooperation zusammengefunden haben. Die Zusammenarbeit mit Regisseurin Anne Lenk erfolgte notgedrungen aus der Ferne.

Und die bringt uns zur Ausgangsfrage der Serie: Braucht Liebe zwingend physischen Kontakt? Das erforscht »Zeitfüreinander«. Denn ein Gutes hat die Sache ja, wie man im Intro hört: »Schön, wenn man Zeit hat, sich kennenzulernen.«

Online abrufbar unter zeitfuereinander.com